Ich könnte heulen

Es gibt sportliche Menschen mit Talent, die verdienen monatlich, nicht jährlich, etwa 150.000 Euro. Das ist schon bemerkenswert, aber so sind halt die Zeiten heute. Diese Menschen haben einen Arbeitgeber, der sein Geschäft eigentlich absolut erfolgs- und leistungsorientiert betreibt. Aber eben nur eigentlich. Denn seine Arbeitnehmer, diese jungen sportlichen Menschen, es sind in diesem Fall Männer, schaffen es auf einfachste Art und Weise, das Leistungs- und Erfolgsprinzip ihres Arbeitgebers mitunter auszuhebeln und außer Kraft zu setzen.

Sommerzeit

In meinem konkreten Fall geschah das wie folgt: Am letzten Samstag in der Winterzeit 24/25 taten elf junge Männer das Nötigste, um ihren Chef noch einmal zufriedenzustellen. Anschließend entschieden sie, zusammen mit einem Dutzend weiterer Arbeitnehmer, die nicht ganz so talentiert waren wie sie, ihrem Arbeitgeber mal so richtig zu zeigen, was eine perfekte Work-Life -Balance aussieht. Nach dem Motto:

Sommerzeit ist zu hundert Prozent auch Urlaubszeit.

Täglich nicht mehr als 2-3 Stunden arbeiten, anschließend die gleiche Zeit in der Sauna und beim Masseur vor sich hindämmern und die ein oder andere Unpässlichkeit (Muskelverhärtung) vortäuschen.

Typischer Fußball-Simulant

Um so im besten Fall die fällige Leistungskontrolle am Wochenende komplett zu schwänzen. Oder sie, im zweitbesten Fall, lust- und gedankenlos hinter sich zu bringen. Die Folge: Während der gesamten Sommerzeit, bis Ende Oktober, blinkte bei der Leistungs- und Erfolgskontrolle immer die rote Lampe – Leistung ungenügend!!!

Die Folgen für die Nichtstuer hielten sich in Grenzen. Die Jungs bekamen, trotz kompletter Leistungsverweigerung, weiterhin ihre gesamte Kohle und ihren Urlaub vom Urlaub. Die vielen tausend Freunde von den Jungs zahlten weiterhin fast widerspruchslos viel Geld dafür, ihren Helden beim Nichtstun zuzusehen. Wie heißt es so schön: eine Win-Win-Situation.

Fan von Borussia Mönchengladbach
Typischer Borussia-Fan

Jetzt stellt sich die Frage: Was habe ich mit dieser Firma, diesen jungen Männern und deren Freunden zu tun?

Borussia Mönchengladbach

Nun, ich bin auch ein Freund von den Jungs und die Firma heißt: Borussia Mönchengladbach.

Ich habe den Sommer über viel geweint. Meine Wochenenden waren von Trübsal, Scham und Perspektivlosigkeit geprägt. Und ich konnte mir das Elend, im Gegensatz zu vielen meiner Leidensgenossen, nicht mehr anschauen. Ich litt unter Albträumen, in denen ich mit einem FC-Köln Fanschal durch Köln lief und auf der Südkurve in deren Stadion grenzdebile Schlachtlieder mitgrölte. Der Sommer wollte kein Ende nehmen und das Team der Borussia blieb bei ihrer totalen Leistungsverweigerung. Es wurde kein einziger Sieg errungen. Man sägte den Manager und Vorturner der Truppe ab und beförderte einen Jungendtrainer, Polanski – gottlob nicht Podolski – zum Cheftrainer. Mit dem Ergebnis, dass die Truppe gegen Frankfurt schon zur Halbzeit fünf Tore kassiert hatte, zu Hause, im eigenen Stadion. In Gladbach gingen die Lichter aus und in meinen Albträumen trug ich fortan eine Fan-Schal von den Bayern.

Winterzeit

Dann kam der 28. Oktober. Es war ein Dienstag, der Dienstag vor der Zeitumstellung, hin zur Winterzeit. Gladbach spielte am Abend im Pokal gegen Karlsruhe.

Im Nordpark in Mönchengladbach
Die Choreo erinnert an den Pokalsieg der Borussia gegen Karslruhe im Jahre 1960

Ich weiß bis heute nicht, was mich getrieben hat. Aber ich bin in den Nordpark gefahren, mit knapp 50.000 weiteren Traumtänzer:innen. Ja, ich sah im weiten Rund auch Frauen träumen. Mir steckten noch Reste der Stadionwurst in der Kehle,

Stadionwurst

da schossen die Jungs ein Tor – und es war kein Traum.  

Torjubel nach dem frühen 1:0 durch Shuto Machino

Später schossen sie noch eins und noch eins. Ich sah viele Fans mit Tränen in den Augen, mit vielen Tränen in den Augen. Die Erleichterung war so übermenschlich, die Dankbarkeit schier grenzenlos. Die Raute im Herzen schlug Purzelbäume,

Die Raute von Borussia Mönchengladbach

und manch einer wird seinen Fanschal im Bett nicht ausgezogen haben. Am folgenden Samstag fegte beim Bundesligaspiel ein Sturm aus dem tiefen Westen über St. Pauli. Der Torhüter der Kiezkicker durfte viermal die Pille aus dem Netz häkeln. Dann kam der Samstag, der 8. November. Die Karnevalstruppe aus der Domstadt wollte im Westderby die frisch erstarkte Macht vom Niederrhein in die Knie zwingen. Der Nordpark in Mönchengladbach stand Kopf, die Hütte „brannte“und der FC war nach gut 90 Minuten richtig bedient. Mit einer 3:1 Niederlage im Gepäck zogen Fans und Spieler zurück zum Dom. Die Borussen lagen sich in den Armen und ich habe vor Glück geheult. Es ist wieder Winterzeit und für mich muss sie niemals enden.

Natürlich der Link zur Homepage

https://www.borussia.de

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Grand Hotel – neu definiert

Ich - Mikka Ich war schon immer eher Läufer und nicht Rädchen-Fahrer. Wir wohnten am Hang, ein unbefestigter Feldweg führte zu unserem Haus. Wir haben unsere Räder immer mehr geschoben als gefahren. Später verdiente ich mein Geld als Bademeister und Fensterputzer, da war ich auch viel zu Fuß unterwegs, ja und dann habe ich mit dem Marathon laufen angefangen. Und mit dem Bergwandern, ich war auch Reiseleiter im Himalaya. Als das Heruntergehen meinen Knien nicht mehr gefiel, hab ich das Paragleiten gelernt. Soviel zu meiner Sportkarriere. Beruflich lief es auch nicht so glatt. Als Junge wollte ich die Wetterstation auf der Zugspitze übernehmen. Es hat dann nur zum Wetterfrosch ohne Ausbildung gereicht. Lehrer konnte ich auch nicht werden, da hatte ich zwar eine Ausbildung, aber das Land NRW keine Jobs. Also wurde ich eben Reiseleiter, Reisereferent, Reiseverkäufer, Reiseredakteur und Reisejournalist. Ich bin ein bisschen herumgekommen. Habe Reisefilme gedreht, Reiseartikel und zwei Reisebücher geschrieben. Ich habe vor und hinter der Kamera gestanden, den Mount Everest fast bestiegen und die Sahara quasi durchquert. Ich bin viele Berge hochgelaufen und heruntergeflogen und ich bin seit 65 Jahren Gladbach Fan. Ich wurde in Mönchengladbach geboren.

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