Es war der zweiundzwanzigste Dezember, null Grad, neblig und sehr früh am Morgen in der Abflughalle/Baracke des Domestik Airports Kathmandu, von Weihnachten keine Spur!
50 Minuten später war es immer noch früh, aber nicht mehr neblig, also Start. Und noch mal 50 Minuten später Landung in Shyangboche auf dem Dach der Welt, dreitausendachthundert Meter ü.d.M. Die Pilatus Porter hatte auf der dreihundert Meter Piste in einer Staubwolke aufgesetzt und wurde von dem Schweizer Pilot lässig auf die Parkposition gerollt.
Da trafen sich drei lokale Souvenir Händler, die im Hauptberuf Yakhirten
waren, ein paar Flughafenangestellte mit unklarer Jobbeschreibung, zwei jugendliche Planespotter und zehn Touristen aus Deutschland, die zu einem
Tagesausflug mit 1 Übernachtung
gekommen waren. Ich war deren Anführer und hatte ihnen eingebleut, die hundertfünfzig Höhenmeter zum Everest View Hotel nicht hochzugehen, sondern hochzuschleichen.
Die Höhenkrankheit schwebte über uns und dagegen gab und gibt es noch keine Impfung.
Everest View Hotel
Erst am Hotel sah man ihn dann auch, den höchsten Berg der Welt, entsprechend wild wurde ein Kameraspot nach dem Nächsten angesteuert, sehr zur Freude des Kopfschmerzes, dem Vorboten der Höhenkrankheit.
Das Hotel war ein flacher Bruchsteinbau, der eigentlich ganz gut in die Landschaft passte, so ein bisschen wie ein großzügiges Schweizer Chalet gebaut.
Im Innern ein großer Raum mit riesiger, offener Feuerstelle und Panoramafenstern in Richtung, wohin wohl? Die Zimmer ohne Heizung und Strom, aber mit Badewanne und mit Sauerstoffanlage neben jedem Bett.
Der ganze Spaß kostete etwa 240 Dollars pro Person und Nacht, all inclusive allerdings.
Das Everest View Hotel war eigentlich ein Hotel von Japanern für Japaner.
Wenn wir Mitteleuropäer bergverrückt sind, dann sind Japaner komplett bergversessen. An diesem Abend waren wir Deutschmenschen allerdings klar in der Überzahl. Nur ein japanisches Ehepaar zerrte noch mit uns am Yaksteak.
Herr und Frau Kawasaki, ja die hießen ehrlich so!
Er wollte ihr den Everest zeigen. Sie waren noch viel, viel älter als meine Leute, also jenseits der fünfundsechzig und sahen genauso aus wie Japaner von der Domplatte. Sie waren höflich und still und legten sich früh hin, um ordentlich Sauerstoff aus den Flaschen zu saugen.
Meine Reisegruppe hingegen war wissbegierig. Ich musste über das Land der Sherpas referieren, das Leben von Sir Edmund Hillary beleuchten und Fragen zum Yetiskalp im Kloster von Khumjung beantworten.
Als am Kamin dann aber auch die Temperatur in den Minusbereich sank, Brennholz ist ein kostbares Gut im Himalaya, gab sogar die Lehrerfraktion auf. Lehrer gingen immer ausgeschlafen auf Reisen, sie müde zu reden war schwer, noch schwerer, wenn die Höhenluft mir die Arbeit erschwerte
Ich habemich mit Daunenjacke ins Bett gelegt,
ein paar Aspirin eingeworfen und sieben Stunden gebetet, dass die Höhenkrankheit meine Schutzbefohlenen in Ruhe ließ. Tat sie auch, nur Frau Kawasaki war fällig. Sie machte die ein oder andere Sauerstoffflasche leer und ihr war vollkommen egal, als am Morgen vor dem Panoramafenster kein Everest zu sehen war, nicht mal die schöne Himalaya-Kiefer vom Abend zuvor. Dafür aber jede Menge Nebelschwaden und Schneeflocken.
Das war jetzt saublöd und so nicht eingeplant. Wir hatten außer Zahnbürste kein zusätzliches Gepäck dabei. Wir wollten an diesem Tag zurück nach Kathmandu und am nächsten Tag Heiligabend feiern mit Galadinner und so.
Nun hatte ich schon seinerzeit ein ausgeprägtes Hobby, Wetterkunde. Und meine Kunde sagte mir: Vergiss den Flieger heute. Bei dem Wetter konnte kein noch so guter Pilot auch nur davon träumen in Shyangboche zu landen. Aber stirbt die Hoffnung nicht bekanntlich zuletzt und muss man Touristen, die viel Geld bezahlt hatten, nicht auch aktiv miterleben lassen, wie ihre Luxus-Rundreise die ersten Schrammen abbekam.
Anfang vom Ende
Also fertig machen, auschecken und Abmarsch zum Flugfeld. Der Everest liegt auf dem achtundzwanzigsten Breitengrad, wie Orlando in Florida zum Beispiel. Also scheint da auch im Winter eine kräftige Sonne, wenn sie scheint. Die hätte den Schnee, rein theoretisch, ganz schnell wegtauen können. Und es wurde sogar ein wenig heller, wobei das leider daran lag, dass wir aus dem Wald auf die weiße Almwiese kamen, die hinunter zum Flugfeld führte. An der Flugpiste natürlich Totenstille. Das klarste Signal dafür, dass an diesem Tag kein Flugbetrieb in Gang kommen würde, war das Fehlen unserer Yakhirten, bzw. fliegenden Souvenirhändler. Irgendeine Art von Funkverbindung von Shyangboche nach Katmandu gab es nicht. Man musste immer auf Verdacht zum Flughafen gehen und dann eben die Ohren spitzen.
Aber an diesem letzten Tag vor Heiligabend machten nur Bergdohlen Krach in der Luft.
Meine Gruppe fand das spannend, es roch nach Abenteuer. Gegen Mittag zogen wir dann wieder hoch zum Hotel, alle schön mit Kopfschmerzen und richtig frisch roch auch keiner mehr. Nebel und Schnee waren unsere Begleiter am Nachmittag, ich hielt wieder eine kleine Vorlesung, diesmal über die Geomorphologie der Hochgebirge. Zu diesem Thema gab es da oben richtig viel zu sehen, leider nicht bei Nebel.
Schön an diesem Aufenthalt war der Umstand, dass wir keinerlei Gepäck- oder Kleidungsprobleme hatten. Alle hatten einfach alles an und fertig. Auch fürs Bett mussten wir uns nicht mehr ausziehen, sehr luxuriös, einem Luxushotel einfach angemessen.
Es ward Abend und es ward Morgen und es war Weihnachten und der Schnee rieselte leise.
Ich musste eine Entscheidung treffen. Und die sah wie folgt aus:
Zahnbürsten einstecken, wieder auschecken, am Flugfeld vorbeigehen, hören, ob vielleicht doch ein Flieger kam. Ansonsten weiter trekken bis ins Sherpadorf Namche Bazar. Ich kannte mich am Everest zu dieser Zeit besser aus als in meiner Heimat, kannte jeden Steig und jede gute Raststation. Verlaufen kam nicht in Frage.
Man muss wissen, dass es dort oben keinerlei Straßen gab und gibt. Überhaupt ist der nepalesische Hochhimalaya bis heute weitgehend straßenfrei.
Der gesamte Verkehr ist Fußgängerverkehr. Und da die Berge bis oberhalb von viertausend Metern ü.d.M. besiedelt sind, wird’s auf den Wegen auch niemals einsam. Man trifft Hinz und Kunz und an ziemlich vielen Ecken gibt es Teehäuser, quasi Eckkneipen. Namche Bazar war der größte Sherpaort im sogenannten Khumbugebiet, also der Region direkt südlich des Mt. Everest. Hier wollte ich den Heiligen Abend verbringen und in Erfahrung bringen, ob die Chance bestand vom tiefer gelegenen Flugfeld in Lukla zurück nach Kathmandu zu fliegen. Zu Fuß hätten wir bis Kathmandu etwa vierzehn Tage gebraucht. Aber auf eine große Trekkingtour war ja keiner eingestellt. Keine Klamotten, keine Kondition und auch keine Lust.
Am Flugfeld in Shyangboche:
wie erwartet Nebel und Schnee und Totenstille, wären da nicht Herr und Frau Kawasaki gewesen. Sie wollten ganz offensichtlich nicht in ihrem Zimmer mit Aussicht auf den Everest sterben. Nun hatte Familie Kawasaki im Gegensatz zu meiner Reisegruppe keine Wanderstiefel an den Füßen, sondern schöne schwarze Pumps. Ein Bild des Jammers, die komplett falsche Ausrüstung, todkrank und keinerlei Möglichkeit einer vernünftigen Verständigung. Er und sie drei Worte englisch, ich kein Wort japanisch. Also wieder eine Entscheidung. Familie Kawasaki entmündigen und wie Kleinkinder mitschleppen, im Klartext:
Ich ließ meine Gruppe mit den beiden ostasiatischen „Hochalpinisten“ an der Flughafenbretterbude zurück
und rannte vierhundert Höhenmeter hinunter nach Namche Bazar und besorgte zwei starke Sherpaburschen. Jedem gab ich umgerechnet zwei Euro fünfzig und damit war der Deal klar. Wieder hoch, die Japaner huckepack nehmen und die mittlerweile internationale Reisegruppe ins Dorf, also quasi zur Krippe führen.
Es wurde dunkel, es waren 10 Grad minus, im International Food and Rest, der angesagtesten Trekkinglodge am Platz, war noch Platz und auch heißer Tee. Und den Rum dazu, den fand ich im Laden an der Ecke. Die Nepalesen hatten schon immer sehr guten Rum, den ich am liebsten zum Flambieren benutzte, aber im Tee an Weihnachten auch ein Gedicht, ein Weihnachtsgedicht sozusagen.
Alle waren auch nett zu meinen beiden Freunden aus Kyoto. An Fliegen dachte keiner mehr, mehr an Unterhose mal wechseln. Aber die anderen konnten ja auch nicht wechseln, also egal.
Während meine Gruppe die sauerstoffgeschwängerte Luft von Namche Bazar genoss, machte ich mich auf die Suche nach den kleinsten gebrauchten Wanderstiefeln des Ortes. Damit gab‘s dann eine richtig schöne Bescherung.
Am ersten Weihnachtstag war das Wetter wunderschön, bitterkalt, aber strahlende Sonne und alles schön verschneit. Zum Frühstück Porridge mit Tee und Rum und dann ging es weiter Richtung Heimat, besser Richtung Lukla, dem nächsten Rollfeld.
Lukla – der gefährlichste Flughafen der Welt
Es wurde wärmer, der Schnee wurde weniger, aber weg ging er nicht. Und so lag nach sechs Stunden Wanderung und drei Tee-Rum Stopps Lukla vor uns, vernebelt und vereinsamt. In der Sherpa Kooperative fand ich Unterkunft für meine Leute und ich fand heraus, dass Lukla nicht vereinsamt war, sondern brechend voll mit Trekkern, die alle nur das eine wollten: zurück nach Kathmandu und zwar mit dem Flieger. Das schlechte Wetter hatte zu einem Rückstau von über hundert Wanderern und Bergsteigern geführt. Alle hatten gültige Tickets, teilweise schon Bordkarten, außer uns. Aber das war nicht das Schlimmste.
Das Schlimmste war, dass wir Aussatz hatten. Also zumindest so behandelt wurden, als hätten wir welchen. Vor allem von unseren Landsleuten, den Deutschen. Und da vor allem von denen, die sich gerne dem deutschen Alpenverein anschließen und die meiner Gruppe eigentlich gar nicht so unähnlich sahen. Mit einer riesengroßen Ausnahme. Sie waren alle Profis, mit Profiausrüstung, harten Profifressen und hartem Profibenehmen. Und solche Superprofis, denen die Berge überall auf der Welt zu Füßen lagen, also die Vorgebirge zumindest, die konnten uns nur verachten.
Wenn mir meine Gruppe bis dahin doch hin und wieder auf den Zeiger gegangen war, ab diesem Moment hatte ich sie in mein Herz geschlossen. Nein wirklich, tausendmal lieber eine „Stretchhose“ als so einen schlechtgelaunter mieser Alpenvereinssack, schoss mir seinerzeit durch den Kopf. Also fürchterliche Stimmung in der Sherpa Kooperative. Aber meine Reise/Kriegskasse war noch gut gefüllt, Folge: bei uns goldgelbe Rumflaschen auf dem Tisch mit Rum drin und beim Alpenverein: zwar bunte Alu Flaschen, aber mit Wasser drin.
So vergingWeihnachten.
Wir frustriert, aber glücklich, weil besoffen und das feindliche Lager auch frustriert, aber unglücklich, weil nüchtern und keine Kohle mehr.
Gute Freunde konnte ich außerhalb der Lodge auch nicht finden. Nicht nur, weil meine Gruppe so vollkommen aus dem normalen Lukla Look herausfiel, oder wegen meiner beiden japanischen Freunde, sondern weil alle anhand unseres Rum Konsums mitbekommen hatten: Die haben Geld, und mit Geld konnte man schmieren, den Tower zum Beispiel. Ein riesen Vorteil für mich, glaubten die Spinner. Der Tower war auch eine Bretterbude wie in Shyangboche, nur so ein wenig hochgebockt, so towermäßig eben. Und ich kannte den Chef vom Tower, Mingma Sherpa. Das wussten die blöden Trekker nicht, dass ich zwar wie der letzte Amateur daherkam, dass Lukla aber ein Heimspiel für mich war. Nepalesen, und auch Nepalesinnen haben zwei ganz starke Seiten. Sie lachen extrem gerne, besonders gerne über Bergsteiger, die sich wichtig nehmen und sie trinken gerne – Alkohol,
vorzugsweise Kukri Rum und Everest Whisky.
In Lukla hatte ich schon oft gelacht und getrunken und auf Flieger gewartet.
Und da war mir irgendwann auch mal klar geworden, warum Sherpas Bergwanderer zum Schießen komisch finden. Weil Sherpas grundsätzlich bis auf viertausendfünfhundert Metern ü.d.M. Badelatschen tragen, bis in die Höhe ist es chic lässige Badekleidung zu tragen und eben nicht tonnenschwere Bergschuhe und sündhaft teure Funktionskleidung.
Ich hatte also Geld und wichtige Freunde, leider aber auch zehn Stretchhosen und zwei Japaner im Schlepptau. Mingma Sherpa, der mächtigste Mann aus Lukla, hatte ein Funkgerät und mit dem nahm er einmal am Tag Kontakt mit Kathmandu auf. So konnte ich an Silvester einen Funkspruch an meine Reiseagentur absetzen: „Die Gruppe ist extrem schwach, zwei schwerstkranke Japaner (Frau Kawasaki hatte sich allerdings im „Tiefland“ von Lukla prächtig erholt) sind bei uns, wir brauchen sofort Hilfe“.
Silvester
Das musste doch Wirkung zeigen. Aber erstmal gings ans Silvester feiern.
Die Feierlichkeiten begannen am Nachmittag am Rande des Flugfelds mit einer weiteren Lektion in Sachen Naturgeographische Phänomene im noch jungen Himalaya, genauer gesagt: an diesem Nachmittag ging es um Seiten-, End-, und Grundmoränen von Gletschern. Die konnte man mit dem bloßen Auge von unserem Standort aus in herrlicher Ausprägung oberhalb des Dorfes bewundern. Meine Gruppe hätte mittlerweile an jeder guten deutschen Uni Vorlesungen über den Himalaya halten können. Herr und Frau Kawasaki waren immer bei uns, sie hörten sehr interessiert zu, verstanden natürlich Bahnhof, tranken dafür aber auch keinen Rum.
Sie waren dankbar und sie waren weitsichtig, vor allem Herr Kawasaki. Ihm war vollkommen klar, dass die Rettung seiner Frau in den Händen von uns Nichtbergsteigern lag. Denn bei Bergsteigern zählt nur das eigene Leben und das oftmals auch nicht so richtig. Belege für diese Thesen finden sich auch heute noch zu Hauf rund um die idyllischen Höhenlager am Everest.
Nein, unsere Herzen waren noch nicht zu Gletschereis verhärtet.
Am Abend servierten die Sherpafrauen in unserer Unterkunft ein Galadinner in Form von Sättigungsbeilagen wie Reis, Gemüse und nochmal Reis.
Wir hätten uns gerne was Nettes angezogen. Wir hatten jetzt seit zehn Tagen die selben Klamotten an. Aber wahrscheinlich hätten wir uns mit neuen Sachen am Leib gar nicht wiedererkannt. Also war schon alles gut wie es war, nur die Bergheinis saßen heute mit am Tisch. Ich habe eine Flasche Kukri Rum spendiert und dann wurde es auch noch ganz nett. Die Sherpas haben Musik gemacht, die Bergheinis haben tolle Abenteuer erzählt und das erste Mal gefragt, warum wir zwar Geld haben, aber Nichts zum Anziehen. Ich habe mit deren Reiseleiterin getanzt, die war auch bei denen die Jüngste in der Gruppe, sah auch ganz nett aus. Aber auf dem Auge war ich blind, denn ich war im Job und ich wollte auch am Neujahrsmorgen als erster am Tower stehen, ohne dass die anderen Schnarchnasen das mitbekamen. Also schön freundlich tun, aber wissen, wo der Feind lauert, war meine Devise.
Ich kann es kurz machen.
Ich hatte am Morgen Schädelweh, war aber am Tower, keine Flüge, weil wieder Nebel mit Schneeregen und Flugverkehr hieß nun einmal in Nepal Sichtflugverkehr, also wieder Abhängen und Rum trinken. Mir gingen die Themen aus, meine „Stretchhosen“ sahen mittlerweile wie „Stützstrümpfe“ aus und ich verlor ganz langsam das Vertrauen in meine troubleshooting Fähigkeiten. Unsere große Nepalrundreise mit Kulturprogramm und Tigersafari war endgültig in einer miesen Sackgasse in einem noch mieseren Himalayahochtal gelandet.
Es wurde der schöne sechste Januar, also Drei Könige, als Bewegung in die Sackgasse kam. Die Piste war mittlerweile abgetrocknet, das Wetter stabil und mittlerweile waren knapp dreihundert Trekker „waidwund geschossen“, fertig mit den Nerven, bereit jeden zu töten, der mit einem Flieger landen würde und sie nicht mitnehmen würde zurück ins Gelobte Land nach Kathmandu.
Aber genau so kam es.
Alle hatten zwar gültige Bordkarten, alle mit einer Nummer zwischen eins und siebzehn aber für welchen Flieger? Und es kam gar kein richtiger Flieger, das Geräusch am Himmel hörte sich schlichtweg nach Helikopter an. Zivile Helikopter gab es damals keine, also war die Armee im Anmarsch, beziehungsweise im Anflug.
Jetzt muss man sich vorstellen: mittlerweile dreihundert Trekker, circa zweihundert Dorfleute und wir standen alle am oberen Auslauf der Piste, dann riesige Staubwolke und riesiger Krach und dann ein richtig gelackter Armeepilot in der Tür. Er nickte sehr höflich und gab einen DIN vier Zettel an meinen Freund vom Tower weiter. Mingma schaute mich an, natürlich stand ich in der ersten Reihe, an jedem Flughafen der Welt eher uncool, hier überlebenswichtig.
Und ich schaute ihn an, er ging den Berg hoch, ich ging den Berg hoch, er zeigte mir den Wisch, ich las den Wisch. Mingma ging zurück zum Piloten, ich zu meiner Gruppe.
Rettung 1
Ich nahm nach kurzer Überlegung fünf aus meiner Gruppe, die beiden Österreicher Hans und Otto, unsere Künstlerin Judith, die beiden Lehrer Gottfried und Richard und die beiden Japaner zur Seite, machte eine Kopfbewegung Richtung Helikopter und ohne jede weitere Absprache gingen die sieben zum Helikopter und stiegen wortlos ein. Als hätten wir die Übung monatelang geprobt, sagenhaft. In dem Moment war unsere Gepäckarmut natürlich Gold wert.
Zack ging die Türe zu und zack rasten die Rotorblätter los. Staub, Dreck, Wind und der Spuk war vorbei. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viele dämlich dreinschauende Menschen gesehen und es ging mir ausgesprochen gut dabei Ich hatte einen wahren Freund in Kathmandu, ich war sieben Sorgenkinder los und ich hatte es allen gezeigt.
Das war sogar einen echten Mount Everest Whisky wert!
Ich hatte ja doch ziemlich spontan die ersten sieben Glücklichen ausgesucht, schlichtweg mich gefragt: Wer litt am meisten unter den menschenunwürdigen Umständen? Und da fiel meine Wahl eben auf genau die sieben. Das Phänomenale war, dass die nicht Auserwählten gar nicht traurig waren, ganz im Gegenteil, sie waren stolz und kampfeslustig. Das Abenteuer sollte für sie nicht gar so schnell und schmerzlos zu Ende gehen.
Für die Trekker war ich jetzt ganz plötzlich der Hero.
Entweder geheime Kontakte bis ins nepalesische Militär hinein, oder riesige Schmiergeldkasse, beides machte Angst und flößte Ehrfurcht ein Wir hatten einen guten Nachmittag, ein Flieger kam nicht mehr. Wetter zwar gut aussehend, aber fürs Fliegen zu schlecht, Wind und Thermik viel zu stark.
Am nächsten Morgen wieder perfekte Flugverhältnisse. Der Funkverkehr funktionierte und der Tower meldete in Kathmandu abnehmenden Nebel und ersten Start in Richtung Lukla gegen acht Uhr dreißig. Diese Nachricht drang irgendwie auch an die Ohren eines Trekkers und dann dauerte es gefühlte zehn Sekunden und mehr als dreihundert Typen rannten durcheinander, holten ihre Rucksäcke aus den verschiedenen Lodges, die Lodgebesitzer hinter ihnen her um die Rechnungen bezahlt zu bekommen, kurzum: Geschrei, Gebrüll, Hektik, Chaos und plötzlich Warteschlangen an imaginären Fahrgastbrücken, obwohl kein Mensch wissen konnte, wo der Pilot seine Kiste zum Stehen bringen würde.
Für Menschen mit Bluthochdruck musste da schon akute Lebensgefahr bestanden haben. Alle hatten natürlich ihre Bordkarten parat. Es gab auch ein paar blonde Trekkerinnen, die hatten als Zusatzargument noch ihre Haare, aber ob Mingma, der auf blond stand, da in der Hektik einen Blick für hatte?
Dann ging wieder alles ganz schnell.
Um halb zehn erstes Motorengräusch, dann ein atemberaubender Rechtssschwenk der Maschine mit massivem Höhenverlust und kurze Zeit später das Aufsetzen auf der Geröllpiste. Und dann hieß es für den Piloten: in die Eisen steigen und den Flieger auf der 500 Meter langen steilen Piste nach oben rechzeitig zum Stehen bringen. Aber wo zum Stehen bringen war an diesem Tag die Frage. Sicherheitshalber mal da, wo keine Schlange stand, mit dem Ergebnis, dass absolute Massenpanik ausbrach. Die ersten Fäuste flogen, im Nu hatte sich eine neue, riesige Schlange gebildet. Jetzt ging die Tür auf und eine adrette Stewardess stand in der Luke. Mingma schob die Holztreppe an die Maschine und siebzehn saubere Trekker stiegen aus. Nein wollten aussteigen, konnten aber nicht, weil über dreihundert Leiber sie wieder langsam in die Maschine schoben. Irgendwann sah dann die große Masse ein, dass ein Flugzeug erst leer sein musste, um dann wieder gefüllt werden zu können.
Mit Panik in den Augen flohen die Frischlinge vom Ort des Geschehens, Mingma und sein Assistent warfen die Rucksäcke aus der Maschine auf einen Haufen und dann war der Moment der Wahrheit gekommen. Aber darauf war keiner so richtig vorbereitet, am wenigsten Mingma. Er hatte zwar eine Liste mit siebzehn Namen und dann zig weitere Wartelisten, aber wie seine siebzehn Leute jetzt aus der Meute herausfischen und in die Maschine bekommen.? Als die ersten in der Schlange zu allem entschlossen die Treppe hochstürmten, brach eine Massenhysterie aus. Es flogen Steine. Der Kapitän, der bis dahin im Cockpit gesessen hatte und irgendwelchen Papierkram erledigt hatte, erschien in der Tür, gab Mingma einen Zettel, sah das Ausmaß des Desasters und ließ die Türe schließen.
Jetzt flogen noch mehr Steine, auch gegen die Maschine.
Ein Glück, dass der Pilot die gute Twin Otter schon in Abflugrichtung geparkt hatte. So konnte er ungehindert die Motoren anwerfen und die Meute auf Abstand halten.
Und so flogen Pilot und Stewardess mutterseelenallein zurück nach Kathmandu und in Lukla ging es drunter und drüber. Jeder gegen Jeden und alle so gut sie konnten. Bei allem Durcheinander setzte sich aber doch anscheinend die Erkenntnis durch, dass es nicht am Piloten lag und auch nicht an Mingma, dass man aus einem siebzehn Sitzer nicht mal so schnell einen dreihundert Sitzer machen konnte. Mingma zog sich rauchend in den Tower zurück, nicht ohne mir vorher diesen kleinen Zettel vom Piloten gegeben zu haben.
Rettung 2 naht
Ich war bis dahin eher inaktiv, ich war mir einfach sicher, dass mein Agent in Kathmandu unsere Situation bestens einschätzen konnte, sicherlich noch mehr, nachdem unsere Vorgruppe bei ihm zum Rapport gewesen war. Ich war meine Sorgenkinder los und auf einen Tag kam es jetzt auch nicht mehr an, bei mir war die Luft raus. Und so konnte ich auch ganz gelassen die Zettelnachricht lesen. „ Your P.P.P. will come later today“. Was sollte das bitte schön heißen? Keine Ahnung und Mingma steckte in seiner Holzkiste und kam nicht raus. Er hatte Angst gelyncht zu werden und konnte das Rätsel nicht für mich lösen. Inzwischen saß die Meute auf dem Boden, gegen ihre Rucksäcke gelehnt und harrte der Dinge, die da aus Kathmandu kommen würden. Ich verzog mich in eine ruhige Ecke und sinnierte, bis der erhellende Geistesblitz bei mir einschlug.
P.P.P.
stand für Pilatus Porter Pilot, so einfach war das und so gut!
Ziemlich pünktlich um zwölf dann wieder Krach in die Luft, dann Flieger am Himmel zu sehen, Rechtskurve, Staub und Dreck und alle wieder auf den Beinen, bereit für den nächsten Kampfeinsatz. Aber riesen Überraschung, denn keine Trekker stiegen aus der Maschine, sondern fünfzehn, mit schönen Schlagstöcken bewaffnete Polizisten. Die trieben das Flughafengesindel in Windeseile in alle Himmelsrichtungen und setzen sich dann zum gemeinsamen Tee ins Teehaus am Platz. Und dann das nächste Motorengeräusch, am Himmel eine Pilatus Porter. Und sie flog und flog und flog und dann war sie nicht mehr zu hören und dann war wieder Funkstille und ich konnte mir an fünf dreckigen Fingern ausrechnen, dass der Pilot uns oben in Shyangboche suchte.
Meine größte Sorge, und jetzt wurde mir wirklich flau im Magen, war, dass in Shyangboche möglicherweise andere sozusagen illegale Trekker einsteigen würden.
Die Uniformierten hatten natürlich auch den Flieger gehört und Stellung bezogen.
Lukla Airport wurde zum Hochsicherheitstrakt. Kurz vor eins war die Pilatus Porter wieder über uns, sehr hoch über uns. Vollbeladen auf dem Rückflug nach Kathmandu? Nein, der Flieger flog eine enge Ehrenrunde, kreiste tiefer und tiefer und landete in Lukla.
Keine Stewardess in einer Pilatus Porter war die erste Erkenntnis, die zweite war, dass unser Schweizer Pilot uns tatsächlich in Shyangboche gesucht hatte und die dritte war, dass Schweizer in dieser Zeit noch unbestechlich waren. Seine Maschine war leer und wir hatten die richtigen Bordkarten und wir gingen zu sechst an Bord und das Leben war schön und in Lukla soll die Warteliste nach weiteren neun Tagen abgebaut gewesen sein, hieß es später.
Um vier Uhr waren wir zurück in der Haupstadt.
Es war der achte Januar und wir waren statt einem Tag stolze achtzehn Tage im Reich des Yeti gefangen gewesen. Der Reiseveranstalter hat nie erfahren, dass auf dieser Rundreise bis auf einen Ausflug absolut nichts von dem geklappt hatte, was im Katalog ausgedruckt war. Und sogar die beiden Lehrer haben mir ein fettes Trinkgeld gegeben.
Noch mehr Lust auf Abenteuer am Everest? Hier ein interner Link:
Was für eine verrückte Geschichte. Ja, wir haben ein Gefühl davon bekommen. Und ja, wenn die Reiseleiter/Bergführer leiser werden und sich zurück ziehen, dann ist Hochspannung für selbige. Roni
Es war der zweiundzwanzigste Dezember, null Grad, neblig und sehr früh am Morgen in der Abflughalle/Baracke des Domestik Airports Kathmandu, von Weihnachten keine Spur!
50 Minuten später war es immer noch früh, aber nicht mehr neblig, also Start. Und noch mal 50 Minuten später Landung in Shyangboche auf dem Dach der Welt, dreitausendachthundert Meter ü.d.M. Die Pilatus Porter hatte auf der dreihundert Meter Piste in einer Staubwolke aufgesetzt und wurde von dem Schweizer Pilot lässig auf die Parkposition gerollt.
Da trafen sich drei lokale Souvenir Händler, die im Hauptberuf Yakhirten
waren, ein paar Flughafenangestellte mit unklarer Jobbeschreibung, zwei jugendliche Planespotter und zehn Touristen aus Deutschland, die zu einem
Tagesausflug mit 1 Übernachtung
gekommen waren. Ich war deren Anführer und hatte ihnen eingebleut, die hundertfünfzig Höhenmeter zum Everest View Hotel nicht hochzugehen, sondern hochzuschleichen.
Die Höhenkrankheit schwebte über uns und dagegen gab und gibt es noch keine Impfung.
Everest View Hotel
Erst am Hotel sah man ihn dann auch, den höchsten Berg der Welt, entsprechend wild wurde ein Kameraspot nach dem Nächsten angesteuert, sehr zur Freude des Kopfschmerzes, dem Vorboten der Höhenkrankheit.
Das Hotel war ein flacher Bruchsteinbau, der eigentlich ganz gut in die Landschaft passte, so ein bisschen wie ein großzügiges Schweizer Chalet gebaut.
Im Innern ein großer Raum mit riesiger, offener Feuerstelle und Panoramafenstern in Richtung, wohin wohl? Die Zimmer ohne Heizung und Strom, aber mit Badewanne und mit Sauerstoffanlage neben jedem Bett.
Der ganze Spaß kostete etwa 240 Dollars pro Person und Nacht, all inclusive allerdings.
Das Everest View Hotel war eigentlich ein Hotel von Japanern für Japaner.
Wenn wir Mitteleuropäer bergverrückt sind, dann sind Japaner komplett bergversessen. An diesem Abend waren wir Deutschmenschen allerdings klar in der Überzahl. Nur ein japanisches Ehepaar zerrte noch mit uns am Yaksteak.
Herr und Frau Kawasaki, ja die hießen ehrlich so!
Er wollte ihr den Everest zeigen. Sie waren noch viel, viel älter als meine Leute, also jenseits der fünfundsechzig und sahen genauso aus wie Japaner von der Domplatte. Sie waren höflich und still und legten sich früh hin, um ordentlich Sauerstoff aus den Flaschen zu saugen.
Meine Reisegruppe hingegen war wissbegierig. Ich musste über das Land der Sherpas referieren, das Leben von Sir Edmund Hillary beleuchten und Fragen zum Yetiskalp im Kloster von Khumjung beantworten.
Als am Kamin dann aber auch die Temperatur in den Minusbereich sank, Brennholz ist ein kostbares Gut im Himalaya, gab sogar die Lehrerfraktion auf. Lehrer gingen immer ausgeschlafen auf Reisen, sie müde zu reden war schwer, noch schwerer, wenn die Höhenluft mir die Arbeit erschwerte
Ich habe mich mit Daunenjacke ins Bett gelegt,
ein paar Aspirin eingeworfen und sieben Stunden gebetet, dass die Höhenkrankheit meine Schutzbefohlenen in Ruhe ließ. Tat sie auch, nur Frau Kawasaki war fällig. Sie machte die ein oder andere Sauerstoffflasche leer und ihr war vollkommen egal, als am Morgen vor dem Panoramafenster kein Everest zu sehen war, nicht mal die schöne Himalaya-Kiefer vom Abend zuvor. Dafür aber jede Menge Nebelschwaden und Schneeflocken.
Das war jetzt saublöd und so nicht eingeplant. Wir hatten außer Zahnbürste kein zusätzliches Gepäck dabei. Wir wollten an diesem Tag zurück nach Kathmandu und am nächsten Tag Heiligabend feiern mit Galadinner und so.
Nun hatte ich schon seinerzeit ein ausgeprägtes Hobby, Wetterkunde. Und meine Kunde sagte mir: Vergiss den Flieger heute. Bei dem Wetter konnte kein noch so guter Pilot auch nur davon träumen in Shyangboche zu landen. Aber stirbt die Hoffnung nicht bekanntlich zuletzt und muss man Touristen, die viel Geld bezahlt hatten, nicht auch aktiv miterleben lassen, wie ihre Luxus-Rundreise die ersten Schrammen abbekam.
Anfang vom Ende
Also fertig machen, auschecken und Abmarsch zum Flugfeld. Der Everest liegt auf dem achtundzwanzigsten Breitengrad, wie Orlando in Florida zum Beispiel. Also scheint da auch im Winter eine kräftige Sonne, wenn sie scheint. Die hätte den Schnee, rein theoretisch, ganz schnell wegtauen können. Und es wurde sogar ein wenig heller, wobei das leider daran lag, dass wir aus dem Wald auf die weiße Almwiese kamen, die hinunter zum Flugfeld führte. An der Flugpiste natürlich Totenstille. Das klarste Signal dafür, dass an diesem Tag kein Flugbetrieb in Gang kommen würde, war das Fehlen unserer Yakhirten, bzw. fliegenden Souvenirhändler. Irgendeine Art von Funkverbindung von Shyangboche nach Katmandu gab es nicht. Man musste immer auf Verdacht zum Flughafen gehen und dann eben die Ohren spitzen.
Aber an diesem letzten Tag vor Heiligabend machten nur Bergdohlen Krach in der Luft.
Meine Gruppe fand das spannend, es roch nach Abenteuer. Gegen Mittag zogen wir dann wieder hoch zum Hotel, alle schön mit Kopfschmerzen und richtig frisch roch auch keiner mehr. Nebel und Schnee waren unsere Begleiter am Nachmittag, ich hielt wieder eine kleine Vorlesung, diesmal über die Geomorphologie der Hochgebirge. Zu diesem Thema gab es da oben richtig viel zu sehen, leider nicht bei Nebel.
Schön an diesem Aufenthalt war der Umstand, dass wir keinerlei Gepäck- oder Kleidungsprobleme hatten. Alle hatten einfach alles an und fertig. Auch fürs Bett mussten wir uns nicht mehr ausziehen, sehr luxuriös, einem Luxushotel einfach angemessen.
Es ward Abend und es ward Morgen und es war Weihnachten und der Schnee rieselte leise.
Ich musste eine Entscheidung treffen. Und die sah wie folgt aus:
Zahnbürsten einstecken, wieder auschecken, am Flugfeld vorbeigehen, hören, ob vielleicht doch ein Flieger kam. Ansonsten weiter trekken bis ins Sherpadorf Namche Bazar. Ich kannte mich am Everest zu dieser Zeit besser aus als in meiner Heimat, kannte jeden Steig und jede gute Raststation. Verlaufen kam nicht in Frage.
Man muss wissen, dass es dort oben keinerlei Straßen gab und gibt. Überhaupt ist der nepalesische Hochhimalaya bis heute weitgehend straßenfrei.
Der gesamte Verkehr ist Fußgängerverkehr. Und da die Berge bis oberhalb von viertausend Metern ü.d.M. besiedelt sind, wird’s auf den Wegen auch niemals einsam. Man trifft Hinz und Kunz und an ziemlich vielen Ecken gibt es Teehäuser, quasi Eckkneipen. Namche Bazar war der größte Sherpaort im sogenannten Khumbugebiet, also der Region direkt südlich des Mt. Everest. Hier wollte ich den Heiligen Abend verbringen und in Erfahrung bringen, ob die Chance bestand vom tiefer gelegenen Flugfeld in Lukla zurück nach Kathmandu zu fliegen. Zu Fuß hätten wir bis Kathmandu etwa vierzehn Tage gebraucht. Aber auf eine große Trekkingtour war ja keiner eingestellt. Keine Klamotten, keine Kondition und auch keine Lust.
Am Flugfeld in Shyangboche:
wie erwartet Nebel und Schnee und Totenstille, wären da nicht Herr und Frau Kawasaki gewesen. Sie wollten ganz offensichtlich nicht in ihrem Zimmer mit Aussicht auf den Everest sterben. Nun hatte Familie Kawasaki im Gegensatz zu meiner Reisegruppe keine Wanderstiefel an den Füßen, sondern schöne schwarze Pumps. Ein Bild des Jammers, die komplett falsche Ausrüstung, todkrank und keinerlei Möglichkeit einer vernünftigen Verständigung. Er und sie drei Worte englisch, ich kein Wort japanisch. Also wieder eine Entscheidung. Familie Kawasaki entmündigen und wie Kleinkinder mitschleppen, im Klartext:
Ich ließ meine Gruppe mit den beiden ostasiatischen „Hochalpinisten“ an der Flughafenbretterbude zurück
und rannte vierhundert Höhenmeter hinunter nach Namche Bazar und besorgte zwei starke Sherpaburschen. Jedem gab ich umgerechnet zwei Euro fünfzig und damit war der Deal klar. Wieder hoch, die Japaner huckepack nehmen und die mittlerweile internationale Reisegruppe ins Dorf, also quasi zur Krippe führen.
Es wurde dunkel, es waren 10 Grad minus, im International Food and Rest, der angesagtesten Trekkinglodge am Platz, war noch Platz und auch heißer Tee. Und den Rum dazu, den fand ich im Laden an der Ecke. Die Nepalesen hatten schon immer sehr guten Rum, den ich am liebsten zum Flambieren benutzte, aber im Tee an Weihnachten auch ein Gedicht, ein Weihnachtsgedicht sozusagen.
Alle waren auch nett zu meinen beiden Freunden aus Kyoto. An Fliegen dachte keiner mehr, mehr an Unterhose mal wechseln. Aber die anderen konnten ja auch nicht wechseln, also egal.
Während meine Gruppe die sauerstoffgeschwängerte Luft von Namche Bazar genoss, machte ich mich auf die Suche nach den kleinsten gebrauchten Wanderstiefeln des Ortes. Damit gab‘s dann eine richtig schöne Bescherung.
Am ersten Weihnachtstag war das Wetter wunderschön, bitterkalt, aber strahlende Sonne und alles schön verschneit. Zum Frühstück Porridge mit Tee und Rum und dann ging es weiter Richtung Heimat, besser Richtung Lukla, dem nächsten Rollfeld.
Lukla – der gefährlichste Flughafen der Welt
Es wurde wärmer, der Schnee wurde weniger, aber weg ging er nicht. Und so lag nach sechs Stunden Wanderung und drei Tee-Rum Stopps Lukla vor uns, vernebelt und vereinsamt. In der Sherpa Kooperative fand ich Unterkunft für meine Leute und ich fand heraus, dass Lukla nicht vereinsamt war, sondern brechend voll mit Trekkern, die alle nur das eine wollten: zurück nach Kathmandu und zwar mit dem Flieger. Das schlechte Wetter hatte zu einem Rückstau von über hundert Wanderern und Bergsteigern geführt. Alle hatten gültige Tickets, teilweise schon Bordkarten, außer uns. Aber das war nicht das Schlimmste.
Das Schlimmste war, dass wir Aussatz hatten. Also zumindest so behandelt wurden, als hätten wir welchen. Vor allem von unseren Landsleuten, den Deutschen. Und da vor allem von denen, die sich gerne dem deutschen Alpenverein anschließen und die meiner Gruppe eigentlich gar nicht so unähnlich sahen. Mit einer riesengroßen Ausnahme. Sie waren alle Profis, mit Profiausrüstung, harten Profifressen und hartem Profibenehmen. Und solche Superprofis, denen die Berge überall auf der Welt zu Füßen lagen, also die Vorgebirge zumindest, die konnten uns nur verachten.
Wenn mir meine Gruppe bis dahin doch hin und wieder auf den Zeiger gegangen war, ab diesem Moment hatte ich sie in mein Herz geschlossen. Nein wirklich, tausendmal lieber eine „Stretchhose“ als so einen schlechtgelaunter mieser Alpenvereinssack, schoss mir seinerzeit durch den Kopf. Also fürchterliche Stimmung in der Sherpa Kooperative. Aber meine Reise/Kriegskasse war noch gut gefüllt, Folge: bei uns goldgelbe Rumflaschen auf dem Tisch mit Rum drin und beim Alpenverein: zwar bunte Alu Flaschen, aber mit Wasser drin.
So verging Weihnachten.
Wir frustriert, aber glücklich, weil besoffen und das feindliche Lager auch frustriert, aber unglücklich, weil nüchtern und keine Kohle mehr.
Gute Freunde konnte ich außerhalb der Lodge auch nicht finden. Nicht nur, weil meine Gruppe so vollkommen aus dem normalen Lukla Look herausfiel, oder wegen meiner beiden japanischen Freunde, sondern weil alle anhand unseres Rum Konsums mitbekommen hatten: Die haben Geld, und mit Geld konnte man schmieren, den Tower zum Beispiel. Ein riesen Vorteil für mich, glaubten die Spinner. Der Tower war auch eine Bretterbude wie in Shyangboche, nur so ein wenig hochgebockt, so towermäßig eben. Und ich kannte den Chef vom Tower, Mingma Sherpa. Das wussten die blöden Trekker nicht, dass ich zwar wie der letzte Amateur daherkam, dass Lukla aber ein Heimspiel für mich war. Nepalesen, und auch Nepalesinnen haben zwei ganz starke Seiten. Sie lachen extrem gerne, besonders gerne über Bergsteiger, die sich wichtig nehmen und sie trinken gerne – Alkohol,
vorzugsweise Kukri Rum und Everest Whisky.
In Lukla hatte ich schon oft gelacht und getrunken und auf Flieger gewartet.
Und da war mir irgendwann auch mal klar geworden, warum Sherpas Bergwanderer zum Schießen komisch finden. Weil Sherpas grundsätzlich bis auf viertausendfünfhundert Metern ü.d.M. Badelatschen tragen, bis in die Höhe ist es chic lässige Badekleidung zu tragen und eben nicht tonnenschwere Bergschuhe und sündhaft teure Funktionskleidung.
Ich hatte also Geld und wichtige Freunde, leider aber auch zehn Stretchhosen und zwei Japaner im Schlepptau. Mingma Sherpa, der mächtigste Mann aus Lukla, hatte ein Funkgerät und mit dem nahm er einmal am Tag Kontakt mit Kathmandu auf. So konnte ich an Silvester einen Funkspruch an meine Reiseagentur absetzen: „Die Gruppe ist extrem schwach, zwei schwerstkranke Japaner (Frau Kawasaki hatte sich allerdings im „Tiefland“ von Lukla prächtig erholt) sind bei uns, wir brauchen sofort Hilfe“.
Silvester
Das musste doch Wirkung zeigen. Aber erstmal gings ans Silvester feiern.
Die Feierlichkeiten begannen am Nachmittag am Rande des Flugfelds mit einer weiteren Lektion in Sachen Naturgeographische Phänomene im noch jungen Himalaya, genauer gesagt: an diesem Nachmittag ging es um Seiten-, End-, und Grundmoränen von Gletschern. Die konnte man mit dem bloßen Auge von unserem Standort aus in herrlicher Ausprägung oberhalb des Dorfes bewundern. Meine Gruppe hätte mittlerweile an jeder guten deutschen Uni Vorlesungen über den Himalaya halten können. Herr und Frau Kawasaki waren immer bei uns, sie hörten sehr interessiert zu, verstanden natürlich Bahnhof, tranken dafür aber auch keinen Rum.
Sie waren dankbar und sie waren weitsichtig, vor allem Herr Kawasaki. Ihm war vollkommen klar, dass die Rettung seiner Frau in den Händen von uns Nichtbergsteigern lag. Denn bei Bergsteigern zählt nur das eigene Leben und das oftmals auch nicht so richtig. Belege für diese Thesen finden sich auch heute noch zu Hauf rund um die idyllischen Höhenlager am Everest.
Nein, unsere Herzen waren noch nicht zu Gletschereis verhärtet.
Am Abend servierten die Sherpafrauen in unserer Unterkunft ein Galadinner in Form von Sättigungsbeilagen wie Reis, Gemüse und nochmal Reis.
Wir hätten uns gerne was Nettes angezogen. Wir hatten jetzt seit zehn Tagen die selben Klamotten an. Aber wahrscheinlich hätten wir uns mit neuen Sachen am Leib gar nicht wiedererkannt. Also war schon alles gut wie es war, nur die Bergheinis saßen heute mit am Tisch. Ich habe eine Flasche Kukri Rum spendiert und dann wurde es auch noch ganz nett. Die Sherpas haben Musik gemacht, die Bergheinis haben tolle Abenteuer erzählt und das erste Mal gefragt, warum wir zwar Geld haben, aber Nichts zum Anziehen. Ich habe mit deren Reiseleiterin getanzt, die war auch bei denen die Jüngste in der Gruppe, sah auch ganz nett aus. Aber auf dem Auge war ich blind, denn ich war im Job und ich wollte auch am Neujahrsmorgen als erster am Tower stehen, ohne dass die anderen Schnarchnasen das mitbekamen. Also schön freundlich tun, aber wissen, wo der Feind lauert, war meine Devise.
Ich kann es kurz machen.
Ich hatte am Morgen Schädelweh, war aber am Tower, keine Flüge, weil wieder Nebel mit Schneeregen und Flugverkehr hieß nun einmal in Nepal Sichtflugverkehr, also wieder Abhängen und Rum trinken. Mir gingen die Themen aus, meine „Stretchhosen“ sahen mittlerweile wie „Stützstrümpfe“ aus und ich verlor ganz langsam das Vertrauen in meine troubleshooting Fähigkeiten. Unsere große Nepalrundreise mit Kulturprogramm und Tigersafari war endgültig in einer miesen Sackgasse in einem noch mieseren Himalayahochtal gelandet.
Es wurde der schöne sechste Januar, also Drei Könige, als Bewegung in die Sackgasse kam. Die Piste war mittlerweile abgetrocknet, das Wetter stabil und mittlerweile waren knapp dreihundert Trekker „waidwund geschossen“, fertig mit den Nerven, bereit jeden zu töten, der mit einem Flieger landen würde und sie nicht mitnehmen würde zurück ins Gelobte Land nach Kathmandu.
Aber genau so kam es.
Alle hatten zwar gültige Bordkarten, alle mit einer Nummer zwischen eins und siebzehn aber für welchen Flieger? Und es kam gar kein richtiger Flieger, das Geräusch am Himmel hörte sich schlichtweg nach Helikopter an. Zivile Helikopter gab es damals keine, also war die Armee im Anmarsch, beziehungsweise im Anflug.
Jetzt muss man sich vorstellen: mittlerweile dreihundert Trekker, circa zweihundert Dorfleute und wir standen alle am oberen Auslauf der Piste, dann riesige Staubwolke und riesiger Krach und dann ein richtig gelackter Armeepilot in der Tür. Er nickte sehr höflich und gab einen DIN vier Zettel an meinen Freund vom Tower weiter. Mingma schaute mich an, natürlich stand ich in der ersten Reihe, an jedem Flughafen der Welt eher uncool, hier überlebenswichtig.
Und ich schaute ihn an, er ging den Berg hoch, ich ging den Berg hoch, er zeigte mir den Wisch, ich las den Wisch. Mingma ging zurück zum Piloten, ich zu meiner Gruppe.
Rettung 1
Ich nahm nach kurzer Überlegung fünf aus meiner Gruppe, die beiden Österreicher Hans und Otto, unsere Künstlerin Judith, die beiden Lehrer Gottfried und Richard und die beiden Japaner zur Seite, machte eine Kopfbewegung Richtung Helikopter und ohne jede weitere Absprache gingen die sieben zum Helikopter und stiegen wortlos ein. Als hätten wir die Übung monatelang geprobt, sagenhaft. In dem Moment war unsere Gepäckarmut natürlich Gold wert.
Zack ging die Türe zu und zack rasten die Rotorblätter los. Staub, Dreck, Wind und der Spuk war vorbei. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so viele dämlich dreinschauende Menschen gesehen und es ging mir ausgesprochen gut dabei Ich hatte einen wahren Freund in Kathmandu, ich war sieben Sorgenkinder los und ich hatte es allen gezeigt.
Das war sogar einen echten Mount Everest Whisky wert!
Ich hatte ja doch ziemlich spontan die ersten sieben Glücklichen ausgesucht, schlichtweg mich gefragt: Wer litt am meisten unter den menschenunwürdigen Umständen? Und da fiel meine Wahl eben auf genau die sieben. Das Phänomenale war, dass die nicht Auserwählten gar nicht traurig waren, ganz im Gegenteil, sie waren stolz und kampfeslustig. Das Abenteuer sollte für sie nicht gar so schnell und schmerzlos zu Ende gehen.
Für die Trekker war ich jetzt ganz plötzlich der Hero.
Entweder geheime Kontakte bis ins nepalesische Militär hinein, oder riesige Schmiergeldkasse, beides machte Angst und flößte Ehrfurcht ein Wir hatten einen guten Nachmittag, ein Flieger kam nicht mehr. Wetter zwar gut aussehend, aber fürs Fliegen zu schlecht, Wind und Thermik viel zu stark.
Am nächsten Morgen wieder perfekte Flugverhältnisse. Der Funkverkehr funktionierte und der Tower meldete in Kathmandu abnehmenden Nebel und ersten Start in Richtung Lukla gegen acht Uhr dreißig. Diese Nachricht drang irgendwie auch an die Ohren eines Trekkers und dann dauerte es gefühlte zehn Sekunden und mehr als dreihundert Typen rannten durcheinander, holten ihre Rucksäcke aus den verschiedenen Lodges, die Lodgebesitzer hinter ihnen her um die Rechnungen bezahlt zu bekommen, kurzum: Geschrei, Gebrüll, Hektik, Chaos und plötzlich Warteschlangen an imaginären Fahrgastbrücken, obwohl kein Mensch wissen konnte, wo der Pilot seine Kiste zum Stehen bringen würde.
Für Menschen mit Bluthochdruck musste da schon akute Lebensgefahr bestanden haben. Alle hatten natürlich ihre Bordkarten parat. Es gab auch ein paar blonde Trekkerinnen, die hatten als Zusatzargument noch ihre Haare, aber ob Mingma, der auf blond stand, da in der Hektik einen Blick für hatte?
Dann ging wieder alles ganz schnell.
Um halb zehn erstes Motorengräusch, dann ein atemberaubender Rechtssschwenk der Maschine mit massivem Höhenverlust und kurze Zeit später das Aufsetzen auf der Geröllpiste. Und dann hieß es für den Piloten: in die Eisen steigen und den Flieger auf der 500 Meter langen steilen Piste nach oben rechzeitig zum Stehen bringen. Aber wo zum Stehen bringen war an diesem Tag die Frage. Sicherheitshalber mal da, wo keine Schlange stand, mit dem Ergebnis, dass absolute Massenpanik ausbrach. Die ersten Fäuste flogen, im Nu hatte sich eine neue, riesige Schlange gebildet. Jetzt ging die Tür auf und eine adrette Stewardess stand in der Luke. Mingma schob die Holztreppe an die Maschine und siebzehn saubere Trekker stiegen aus. Nein wollten aussteigen, konnten aber nicht, weil über dreihundert Leiber sie wieder langsam in die Maschine schoben. Irgendwann sah dann die große Masse ein, dass ein Flugzeug erst leer sein musste, um dann wieder gefüllt werden zu können.
Mit Panik in den Augen flohen die Frischlinge vom Ort des Geschehens, Mingma und sein Assistent warfen die Rucksäcke aus der Maschine auf einen Haufen und dann war der Moment der Wahrheit gekommen. Aber darauf war keiner so richtig vorbereitet, am wenigsten Mingma. Er hatte zwar eine Liste mit siebzehn Namen und dann zig weitere Wartelisten, aber wie seine siebzehn Leute jetzt aus der Meute herausfischen und in die Maschine bekommen.? Als die ersten in der Schlange zu allem entschlossen die Treppe hochstürmten, brach eine Massenhysterie aus. Es flogen Steine. Der Kapitän, der bis dahin im Cockpit gesessen hatte und irgendwelchen Papierkram erledigt hatte, erschien in der Tür, gab Mingma einen Zettel, sah das Ausmaß des Desasters und ließ die Türe schließen.
Jetzt flogen noch mehr Steine, auch gegen die Maschine.
Ein Glück, dass der Pilot die gute Twin Otter schon in Abflugrichtung geparkt hatte. So konnte er ungehindert die Motoren anwerfen und die Meute auf Abstand halten.
Und so flogen Pilot und Stewardess mutterseelenallein zurück nach Kathmandu und in Lukla ging es drunter und drüber. Jeder gegen Jeden und alle so gut sie konnten. Bei allem Durcheinander setzte sich aber doch anscheinend die Erkenntnis durch, dass es nicht am Piloten lag und auch nicht an Mingma, dass man aus einem siebzehn Sitzer nicht mal so schnell einen dreihundert Sitzer machen konnte. Mingma zog sich rauchend in den Tower zurück, nicht ohne mir vorher diesen kleinen Zettel vom Piloten gegeben zu haben.
Rettung 2 naht
Ich war bis dahin eher inaktiv, ich war mir einfach sicher, dass mein Agent in Kathmandu unsere Situation bestens einschätzen konnte, sicherlich noch mehr, nachdem unsere Vorgruppe bei ihm zum Rapport gewesen war. Ich war meine Sorgenkinder los und auf einen Tag kam es jetzt auch nicht mehr an, bei mir war die Luft raus. Und so konnte ich auch ganz gelassen die Zettelnachricht lesen. „ Your P.P.P. will come later today“. Was sollte das bitte schön heißen? Keine Ahnung und Mingma steckte in seiner Holzkiste und kam nicht raus. Er hatte Angst gelyncht zu werden und konnte das Rätsel nicht für mich lösen. Inzwischen saß die Meute auf dem Boden, gegen ihre Rucksäcke gelehnt und harrte der Dinge, die da aus Kathmandu kommen würden. Ich verzog mich in eine ruhige Ecke und sinnierte, bis der erhellende Geistesblitz bei mir einschlug.
P.P.P.
stand für Pilatus Porter Pilot, so einfach war das und so gut!
Ziemlich pünktlich um zwölf dann wieder Krach in die Luft, dann Flieger am Himmel zu sehen, Rechtskurve, Staub und Dreck und alle wieder auf den Beinen, bereit für den nächsten Kampfeinsatz. Aber riesen Überraschung, denn keine Trekker stiegen aus der Maschine, sondern fünfzehn, mit schönen Schlagstöcken bewaffnete Polizisten. Die trieben das Flughafengesindel in Windeseile in alle Himmelsrichtungen und setzen sich dann zum gemeinsamen Tee ins Teehaus am Platz. Und dann das nächste Motorengeräusch, am Himmel eine Pilatus Porter. Und sie flog und flog und flog und dann war sie nicht mehr zu hören und dann war wieder Funkstille und ich konnte mir an fünf dreckigen Fingern ausrechnen, dass der Pilot uns oben in Shyangboche suchte.
Meine größte Sorge, und jetzt wurde mir wirklich flau im Magen, war, dass in Shyangboche möglicherweise andere sozusagen illegale Trekker einsteigen würden.
Die Uniformierten hatten natürlich auch den Flieger gehört und Stellung bezogen.
Lukla Airport wurde zum Hochsicherheitstrakt. Kurz vor eins war die Pilatus Porter wieder über uns, sehr hoch über uns. Vollbeladen auf dem Rückflug nach Kathmandu? Nein, der Flieger flog eine enge Ehrenrunde, kreiste tiefer und tiefer und landete in Lukla.
Keine Stewardess in einer Pilatus Porter war die erste Erkenntnis, die zweite war, dass unser Schweizer Pilot uns tatsächlich in Shyangboche gesucht hatte und die dritte war, dass Schweizer in dieser Zeit noch unbestechlich waren. Seine Maschine war leer und wir hatten die richtigen Bordkarten und wir gingen zu sechst an Bord und das Leben war schön und in Lukla soll die Warteliste nach weiteren neun Tagen abgebaut gewesen sein, hieß es später.
Um vier Uhr waren wir zurück in der Haupstadt.
Es war der achte Januar und wir waren statt einem Tag stolze achtzehn Tage im Reich des Yeti gefangen gewesen. Der Reiseveranstalter hat nie erfahren, dass auf dieser Rundreise bis auf einen Ausflug absolut nichts von dem geklappt hatte, was im Katalog ausgedruckt war. Und sogar die beiden Lehrer haben mir ein fettes Trinkgeld gegeben.
Noch mehr Lust auf Abenteuer am Everest? Hier ein interner Link:
Marathon am Everest: Der höchste Lauf der Welt
Und hier der Link zu meiner TV Reportage:
https://www.healthtv.de/sendungen/44/Reportage/801/Everest_der_hoechste_Marathonlauf_der_Welt.html
Ich wünsche Frohe Weihnachten!
Mein nächster Eintrag nach einer kleinen Pause im Januar 2022
Comments (3)
Da wäre ich ja gerne dabei gewesen! Am Großvenediger ist es allerdings auch sehr schön und Transportprobleme sind eher selten…
Was für eine verrückte Geschichte. Ja, wir haben ein Gefühl davon bekommen. Und ja, wenn die Reiseleiter/Bergführer leiser werden und sich zurück ziehen, dann ist Hochspannung für selbige. Roni
Sehr schöner Bericht Mikka!!!