Höhenkrankheit, Kälte, Schlaflosigkeit…. Wie läuft sich ein Marathon am Everest?Auf über 5000 Meter über dem Meeresspiegel – über Gletscher, Geröll und Eis Wir wollten es wissen.
Am 11 Mai 2018 saßen meine Schwester Annette, mein Schwager Alex, mein Sohn Philipp (Kameramann) und ich im Air India Flieger nach Kathmandu und drei Tage später in einer kleinen Propellermaschine nach Lukla, einem der gefährlichsten Flugplätze der Welt.
Die Start- und Landepiste hängt steil am Hang und ist gerade einmal 500 Meter lang. Rund herum gruppieren sich vergletscherte Himalayariesen. Unser Traumziel lag noch versteckt hinter Nebelwänden und etlichen immer höher aufsteigenden Bergrücken.
Fast drei Wochen
hatten wir für die direkte Vorbereitung eingeplant, speziell für die Höhenanpassung. Uns war klar, dass tausende Trainingskilometer im heimischen Siebengebirge im Himalaya fast nichts mehr wert waren. Bei 5000 Metern über dem Meeresspiegel liegen der Partialdruck des Sauerstoffs und der Sauerstoffgehalt um die Hälfte niedriger als in unseren heimischen Gefilden.
Wer in der Höhe körperliche Höchstleistungen bringen will und der lebensgefährlichen Höhenkrankheit keine Chance geben möchte, muss seinen Organismus den veränderten Verhältnissen langsam anpassen. Das gilt ausnahmslos für jeden, der sich in große Höhen wagt.
Über200 Kilometer
waren wir, unterstützt von 4 Sherpas, durch das Khumbu-Himalaya-Gebiet getrekkt und hatten am Gokyo Ri das erste Mal die 5000 Meter Höhengrenze überwunden.
Auf dem Gokyo Ri (5357 m)
Den enormen Flüssigkeitsbedarf
mit vielen Litern heißem Wasser und zuckersüßem Milchtee hatten wir täglich gedeckt, waren jede Nacht auf einer anderen Holzpritsche in den meist leichten Schlaf gesunken, hatten dabei den engen Schlafsack mehr hassen als lieben gelernt und die Erkenntnis erlangt, dass das körperliche Wohlbefinden gar nicht unbedingt durch tägliches Duschen gesteigert wird.
Dem Ziel unserer Begierde
waren wir immer näher auf den Pelz gerückt. Und oberhalb von 4000 Metern konnte er sich nicht mehr verstecken: der Mount Everest, der mit 8848 Metern höchste Berg der Welt. Über die Sherpadörfer Namche Bazar und Khumjung waren wir ins eigentliche Everest Gebiet vorgedrungen. In Dingboche fanden wir eine gute Lodge mit einer in der Sonne liegenden Wasserstelle. Hier blieben wir zwei Nächte. Mit Ausruhen, Haare und Socken waschen füllten wir den nächsten Tag aus. Bis zum späten Mittag blieb es sonnig, danach zog, wie fast jeden Tag, aus Süden kalter Nebel auf.
Philipp mit Kamera-Assistent
Unterhalb von Lobuche
stießen wir auf die Endmoräne des Khumbu Gletschers, der aus dem „Tal des Schweigens“ über den Khumbu Eisbruch etwa 18 Kilometer nach Südwesten fließt. Große Yak Karawanen mit Expeditionsmaterial vom Everest Basislager kamen uns entgegen. In der folgenden, klaren Nacht sank die Temperatur weit unter null Grad, entsprechend willkommen war um sechs in der Früh der heiße, süße Porridge aus der Küche unserer „Alpine Lodge“. Über die Moränen des Changri Shar Gletschers zog sich anschließend der Steig bis nach Gorak Shep.
Hier oben war ich das letzte Mal vor über 40 Jahren,
viel verändert hatte sich nicht, außer dass wir damals in verräucherten Hütten auf dem Boden schliefen bzw. lagen.
1975 am Mt. Everest
Wir hatten die 5000 Meter Höhengrenze
wieder überwunden, entsprechend länger wurden die Atempausen beim Aufsteigen. Vom schmalen Kamm der Khumbu Seitenmoräne eröffnete sich ein grandioser Blick auf Nuptse, Everest Südschulter und die schwarze Pyramide des Everest Hauptgipfels. Das erste Mal erkannten wir ganz in der Ferne, inmitten einer Eiswüste, das Basislager: den Startpunkt des höchst gelegenen Marathon-Laufs der Welt. Am späten Mittag hatten wir unser Etappenziel erreicht: ein paar Dutzend schmutzig, gelbe Zelte, inmitten von brüchigem Eis und Fels.
Im Essenszelt
trafen wir auf Neuseeländer, Inder, Peruaner, Kroaten und Engländer. Die Vorfreude auf den Lauf paarte sich bei Vielen mit der Sorge um die eigene Gesundheit.
im Essenszelt
im Kochzelt
Es hieß: viel trinken, keine Erkältung riskieren und keinen Fehltritt machen, vor allem nachts, wenn man den Weg zum Toilettenzelt finden musste. Den letzten Tag verbrachten wir mit in der Sonne Faulenzen und im Essenszelt in jeder Form Kalorien zuführen. Dann hieß es: Früh schlafen gehen, -10 Grad aushalten und sich von schnarchenden Zeltnachbarn nicht stören lassen.
Das Finale
Früh am Morgen donnerte eine gewaltige Lawine die Nuptse Westwand hinunter. Danach war das Lager wach. Zähne putzen fiel aus, das Frühstück nicht. Porridge und gezuckerter Tee, danach galt es sich lauffertig zu machen. Jeder Teilnehmer wurde mit Namen zur Startlinie gerufen. Da standen wir, am Morgen des 29. Mai, dem Jahrestag der Mount Everest Erstbesteigung durch Tenzing Norgay und Edmund Hillary, zitternd im ewigen Eis und wünschten uns gegenseitig viel Glück für unseren Marathonlauf auf dem Dach der Welt.
Wir sprangen, liefen, hüpften und schlichen los,
je nach Untergrund und Steigungsgrad. Annette sah ich eine Zeit lang noch vor mir, dann musste ich abreißen lassen. Jeder war auf sich allein gestellt, jeder musste sein Tempo laufen. Wir wussten, dass dieser Lauf absolut nichts mit einem herkömmlichen Straßenmarathon gemeinsam hatte. Aber wir wussten nicht, wie endlos lang 42,195 km werden können, wieviel Kraft es kostet auf jeden Schritt und Tritt zu achten und was für eine unglaubliche Tortur es darstellt in großen Höhen bergauf zu laufen.
das Ziel kam näher
Denn auch wenn das Ziel des Laufs in Namche Bazar 2000 Meter tiefer lag, so mussten auf der gesamten Strecke über 1500 Höhenmeter bergauf bewältigt werden.
wir hatten wenigstens leichtes Gepäck
Wir haben es geschafft,
Annette hat in gut 8 Stunden die Familienwertung gewonnen, ich habe ziemlich genau 9 Stunden benötigt und wurde damit 67. der Gesamtwertung.
Ziel in Namche
Für die ganz großen Gefühlsausbrüche fehlte im Ziel die Kraft ein wenig, aber ein Zustand größter Zufriedenheit hat sich dann doch eingestellt, spätestens beim ersten Everest-Bier aus der Dose. Geduscht habe ich auch – kalt, Annette hat die letzten heißen Tropfen genossen. So ist das eben, wenn man zu spät kommt.
Wellness in Kathmandu
Didi
In Kathmandu
war dann ganz schnell wieder heile Welt. Über vierzig Mal habe ich Nepal schon besucht und seit vielen Jahren gilt mein letzter Besuch vor der Abreise meiner „Didi“. Sie hat viele Jahre den Haushalt meiner Freunde Purnima und Prem in Kathmandu geführt. Sie war immer schon „eine halbe Portion“. So klein und zierlich ihr Körperbau so messerscharf ihr Verstand. Wie alt Didi ist? Vielleicht 99 Jahre oder sogar 101 Jahre, oder doch nur 96. Sie sagt sie weiß es nicht, glaube ich aber nicht.
Toller Film von Mikka, mit super Aufnahmen von Phillip aus dem Himalaya und aus Katmandu. Wer schon mal einen Marathon gelaufen ist, kann sich in etwa vorstellen, was ein ein Marathon in dieser Höhe bedeutet.
Höhenkrankheit, Kälte, Schlaflosigkeit…. Wie läuft sich ein Marathon am Everest? Auf über 5000 Meter über dem Meeresspiegel – über Gletscher, Geröll und Eis
Wir wollten es wissen.
Am 11 Mai 2018 saßen meine Schwester Annette, mein Schwager Alex, mein Sohn Philipp (Kameramann) und ich im Air India Flieger nach Kathmandu und drei Tage später in einer kleinen Propellermaschine nach Lukla, einem der gefährlichsten Flugplätze der Welt.
Die Start- und Landepiste hängt steil am Hang und ist gerade einmal 500 Meter lang. Rund herum gruppieren sich vergletscherte Himalayariesen. Unser Traumziel lag noch versteckt hinter Nebelwänden und etlichen immer höher aufsteigenden Bergrücken.
Fast drei Wochen
hatten wir für die direkte Vorbereitung eingeplant, speziell für die Höhenanpassung. Uns war klar, dass tausende Trainingskilometer im heimischen Siebengebirge im Himalaya fast nichts mehr wert waren. Bei 5000 Metern über dem Meeresspiegel liegen der Partialdruck des Sauerstoffs und der Sauerstoffgehalt um die Hälfte niedriger als in unseren heimischen Gefilden.
Wer in der Höhe körperliche Höchstleistungen bringen will und der lebensgefährlichen Höhenkrankheit keine Chance geben möchte, muss seinen Organismus den veränderten Verhältnissen langsam anpassen. Das gilt ausnahmslos für jeden, der sich in große Höhen wagt.
Über 200 Kilometer
waren wir, unterstützt von 4 Sherpas, durch das Khumbu-Himalaya-Gebiet getrekkt und hatten am Gokyo Ri das erste Mal die 5000 Meter Höhengrenze überwunden.
Den enormen Flüssigkeitsbedarf
mit vielen Litern heißem Wasser und zuckersüßem Milchtee hatten wir täglich gedeckt, waren jede Nacht auf einer anderen Holzpritsche in den meist leichten Schlaf gesunken, hatten dabei den engen Schlafsack mehr hassen als lieben gelernt und die Erkenntnis erlangt, dass das körperliche Wohlbefinden gar nicht unbedingt durch tägliches Duschen gesteigert wird.
Dem Ziel unserer Begierde
waren wir immer näher auf den Pelz gerückt. Und oberhalb von 4000 Metern konnte er sich nicht mehr verstecken: der Mount Everest, der mit 8848 Metern höchste Berg der Welt. Über die Sherpadörfer Namche Bazar und Khumjung waren wir ins eigentliche Everest Gebiet vorgedrungen. In Dingboche fanden wir eine gute Lodge mit einer in der Sonne liegenden Wasserstelle. Hier blieben wir zwei Nächte. Mit Ausruhen, Haare und Socken waschen füllten wir den nächsten Tag aus. Bis zum späten Mittag blieb es sonnig, danach zog, wie fast jeden Tag, aus Süden kalter Nebel auf.
Unterhalb von Lobuche
stießen wir auf die Endmoräne des Khumbu Gletschers, der aus dem „Tal des Schweigens“ über den Khumbu Eisbruch etwa 18 Kilometer nach Südwesten fließt. Große Yak Karawanen mit Expeditionsmaterial vom Everest Basislager kamen uns entgegen. In der folgenden, klaren Nacht sank die Temperatur weit unter null Grad, entsprechend willkommen war um sechs in der Früh der heiße, süße Porridge aus der Küche unserer „Alpine Lodge“. Über die Moränen des Changri Shar Gletschers zog sich anschließend der Steig bis nach Gorak Shep.
Hier oben war ich das letzte Mal vor über 40 Jahren,
viel verändert hatte sich nicht, außer dass wir damals in verräucherten Hütten auf dem Boden schliefen bzw. lagen.
Wir hatten die 5000 Meter Höhengrenze
wieder überwunden, entsprechend länger wurden die Atempausen beim Aufsteigen. Vom schmalen Kamm der Khumbu Seitenmoräne eröffnete sich ein grandioser Blick auf Nuptse, Everest Südschulter und die schwarze Pyramide des Everest Hauptgipfels. Das erste Mal erkannten wir ganz in der Ferne, inmitten einer Eiswüste, das Basislager: den Startpunkt des höchst gelegenen Marathon-Laufs der Welt. Am späten Mittag hatten wir unser Etappenziel erreicht: ein paar Dutzend schmutzig, gelbe Zelte, inmitten von brüchigem Eis und Fels.
Im Essenszelt
trafen wir auf Neuseeländer, Inder, Peruaner, Kroaten und Engländer. Die Vorfreude auf den Lauf paarte sich bei Vielen mit der Sorge um die eigene Gesundheit.
Es hieß: viel trinken, keine Erkältung riskieren und keinen Fehltritt machen, vor allem nachts, wenn man den Weg zum Toilettenzelt finden musste. Den letzten Tag verbrachten wir mit in der Sonne Faulenzen und im Essenszelt in jeder Form Kalorien zuführen. Dann hieß es: Früh schlafen gehen, -10 Grad aushalten und sich von schnarchenden Zeltnachbarn nicht stören lassen.
Das Finale
Früh am Morgen donnerte eine gewaltige Lawine die Nuptse Westwand hinunter. Danach war das Lager wach. Zähne putzen fiel aus, das Frühstück nicht. Porridge und gezuckerter Tee, danach galt es sich lauffertig zu machen. Jeder Teilnehmer wurde mit Namen zur Startlinie gerufen. Da standen wir, am Morgen des 29. Mai, dem Jahrestag der Mount Everest Erstbesteigung durch Tenzing Norgay und Edmund Hillary, zitternd im ewigen Eis und wünschten uns gegenseitig viel Glück für unseren Marathonlauf auf dem Dach der Welt.
Wir sprangen, liefen, hüpften und schlichen los,
je nach Untergrund und Steigungsgrad. Annette sah ich eine Zeit lang noch vor mir, dann musste ich abreißen lassen. Jeder war auf sich allein gestellt, jeder musste sein Tempo laufen. Wir wussten, dass dieser Lauf absolut nichts mit einem herkömmlichen Straßenmarathon gemeinsam hatte. Aber wir wussten nicht, wie endlos lang 42,195 km werden können, wieviel Kraft es kostet auf jeden Schritt und Tritt zu achten und was für eine unglaubliche Tortur es darstellt in großen Höhen bergauf zu laufen.
Denn auch wenn das Ziel des Laufs in Namche Bazar 2000 Meter tiefer lag, so mussten auf der gesamten Strecke über 1500 Höhenmeter bergauf bewältigt werden.
Wir haben es geschafft,
Annette hat in gut 8 Stunden die Familienwertung gewonnen, ich habe ziemlich genau 9 Stunden benötigt und wurde damit 67. der Gesamtwertung.
Für die ganz großen Gefühlsausbrüche fehlte im Ziel die Kraft ein wenig, aber ein Zustand größter Zufriedenheit hat sich dann doch eingestellt, spätestens beim ersten Everest-Bier aus der Dose. Geduscht habe ich auch – kalt, Annette hat die letzten heißen Tropfen genossen. So ist das eben, wenn man zu spät kommt.
In Kathmandu
war dann ganz schnell wieder heile Welt. Über vierzig Mal habe ich Nepal schon besucht und seit vielen Jahren gilt mein letzter Besuch vor der Abreise meiner „Didi“. Sie hat viele Jahre den Haushalt meiner Freunde Purnima und Prem in Kathmandu geführt. Sie war immer schon „eine halbe Portion“. So klein und zierlich ihr Körperbau so messerscharf ihr Verstand. Wie alt Didi ist? Vielleicht 99 Jahre oder sogar 101 Jahre, oder doch nur 96. Sie sagt sie weiß es nicht, glaube ich aber nicht.
Noch eine Nepal Geschichte:
Mein Freund Mohan
Link zum Film:
https://www.marco-polo-tv.de/mediathek/
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Toller Film von Mikka, mit super Aufnahmen von Phillip aus dem Himalaya und aus Katmandu. Wer schon mal einen Marathon gelaufen ist, kann sich in etwa vorstellen, was ein ein Marathon in dieser Höhe bedeutet.