Seit über 45 Jahren reißen Bagger hier die Erde auf, 400 Meter tief, auf einer Fläche so groß wie der Chiemsee, wobei der nur maximal gut 70 Meter tief ist. Wer unten im Loch einen Bagger bedient, arbeitet etwa 300 Meter unter Meeresniveau. Wenn da die Sonne auf die Kohle scheint, wird es vermutlich ganz schön warm. Habe ich mir gedacht, als ich oben an der Kante des Hambacher Tagebau stand. Da standen auch ganz schöne Hinweistafeln von RWE, die hier noch bis 2030 richtig viel Kohle verdienen.
Hambacher Tagebau
Auf einer dieser Tafeln stand, dass ein Bagger 240.000 Tonnen Kohle pro Tag fördern kann. Damit könnte man ein Fußballstadion 30 Meter hoch zuschütten, stand auch auf der Tafel. Zugegeben, das schafft mein Enkel mit seinem Bagger nicht.
Was da aber nicht stand: Braunkohle produziert pro Tonne bei der Verbrennung auch ca. 1 Tonne CO2. Und wenn man die jährliche Kohleförderung aus meinem Loch – dem Hambacher Tagebau – mal mit ca. 20 Millionen Tonnen veranschlagt – RWE spricht von 20-40 Mio. Tonnen – dann bläst diese Kohle bei der Verstromung 20 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Das würden auch die Flugzeuge machen, die in einem Jahr 20 Millionen deutsche Touristen nach Kreta und zurückbringen würden (es sind aber nur ca. 4 Millionen). Auch ein schöner Vergleich, oder?
Zu lesen ist auf diesen schönen Tafeln auch, dass in den bereits rekultivierten Gebieten (z.B. Sophienhöhe) schon 2200 Tierarten nachgewiesen wurden.
Dass parallel dazu über 40.000 Menschen ihre Heimat verloren haben, stand da nicht. 800 Pflanzenarten hat man auch gefunden, heißt es. 130 Dörfer und Weiler, die plattgemacht wurden, finden keine Erwähnung.
Ich war mit zwei Freunden unterwegs. Thomas wohnt in Sichtweite des Hambacher Tagebaus und Udo findet das neue Leben, das in Industrie- und Gewerbebrachen entsteht, faszinierend.
Bürgewald
Da gibt’s in NRW viel Schönes für ihn. Zum Beispiel gleich nebenan, in Bürgewald, im Dorf der Zukunft (Ursprung: Bürgewald war ein Jahrhunderte Jahre alter Mischwald in der Region, der den umliegenden Gemeinden als Allmende diente / Teile davon wurden später als Hambacher Forst bezeichnet).
Bürgewald hieß früher Morschenich, dann Morschenich-Alt. Es heißt jetzt Bürgewald, damit Morschenich-Neu, dass ja als Ersatz für Morschenich-Alt auf der grünen Wiese erbaut wurde, nur noch Morschenich heißt und eben nicht mehr Morschenich-Neu. Alles klar?
Eigentlich sollte Morschenich-Alt ja vom Erdboden verschwinden. Nachdem fast alle Bewohner das Weite gesucht hatten, wurde plötzlich entschieden. Alles Quatsch, wir lassen das Dorf als Geisterdorf bestehen, wir machen sogar ein Dorf der Zukunft daraus, toll.
2021 wurde entschieden, dass Morschenich-Alt bergtauglich nicht mehr in Anspruch genommen werden soll. Seitdem gammeln fast alle 140 Häuser des Dorfes vor sich hin. Zuerst wollte man den ganzen Ort abreißen, jetzt werden einige Häuser vorübergehend von Flutopfern (2021) bewohnt. Die sogenannte Gemeindebedarfsinfrastruktur liegt am Boden, die Kirche ist abgebrannt, Spielplätze, Geschäfte – alles Fehlanzeige.
„Mit viel positiver Energie wird aus dem Braunkohle-Dorf Morschenich-Alt das erste Zukunftsdorf im Strukturwandel Rheinisches Revier. Aus dem Investitionsgesetz Kohleregion werden für den Grunderwerb durch Merzenich und die umfassende Sanierung und Entwicklung des Ortes rund 90 Millionen Euro bereitgestellt werden. Im Zukunftsdorf soll nicht nur das frühere Ortsbild mit historisch wertvollen Gebäuden und Strukturen erhalten, sondern es soll mit innovativen Gebäuden und Baufeldern nachhaltig ergänzt werden.“
Die Bilder aus dem Juli 2024 sprechen eine andere Sprache!
Die Pläne sind großtrabend – die Wirklichkeit ist bedrückend. Und in der Umgebung zeigt sich ein ganz ähnliches Bild. In Manheim, 6 Kilometer entfernt, lebten einmal über 1500 Menschen, unter ihnen der ehemalige Rennfahrer Michael Schumacher. Hier wird vermutlich nur noch die denkmalgeschützte Kirche St. Albanus und Leonhardus stehenbleiben, der Rest soll noch in diesem Jahr weggebaggert werden – oder auch nicht?
Was für eine Zerstörung, was für eine Tristesse.
Hambacher Forst
Wie in den Resten des Hambacher Forstes. In den letzten zwei Quadratkilometern Wald herrscht gespenstige Ruhe, schmuddelige Zeugnisse der Vergangenheit rotten am Wegesrand vor sich hin. Seit 2012 wurde hier gegen die Ausdehnung des Hambacher Tagebaus und die weitere Abholzung demonstriert. Einer Waldbesetzung und anschließenden Räumung folgte die Nächste. RWE mit dem Land NRW im Rücken gegen „Öko-Terroristen“ mit immer mehr Anhängern und Sympathisanten im Rücken (Laut einer am 7. Oktober 2018 veröffentlichten Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des WDR-Politmagazins Westpol fanden von den Nordrhein-Westfalen 79 Prozent die Rodung nicht richtig). Im Herbst 2018 kam es zu irrwitzigen Vorfällen/Aktionen und Gerichtsurteilen, die in immer kürzeren Abständen wieder einkassiert wurden.
Baummenschen
NRW-Innenminister Reul war der festen Überzeugung, dass die „Baummenschen“ den Staat abschaffen wollten.
Die Häuser der Baummenschen wurden zu baulichen Anlagen erklärt, ohne ausreichenden Brandschutz und Fensterbrüstungen. Es wurden Waffen sichergestellt, vorwiegend Äxte und Sägen. Es wurde Kot in Eimern aus den Baumkronen heruntergeschüttet. Der Journalist Steffen Meyn stürzte in den Tod.
RWE und die NRW-Organe zeigten ein letztes Mal, wo der Hammer hängt. Mit schwerstem Gerät wurden Baumhäuser geräumt und geschleift. Am 5. Oktober 2018 kam dann das Große Mausohr (eine Fledermausart) zu seinem großen Auftritt.
Das Große Mausohr
Das OVG Münster sah bei einem Rodungsstopp die bundesweite Energieversorgung nicht gefährdet und gab dem BUND recht, dass das heimische Große Mausohr im Hambacher Forst geschützt werden muss. Die RWE Aktie stürzte knapp 9 Prozent ab, es wurde auf kleinerer Flamme weiter demonstriert, der Rodungsstopp wurde umgesetzt und seit drei Jahren herrscht über den Hambacher Forst nur noch das Große Mausohr und ihr Freund: die Bechsteinfledermaus.
In der Süddeutschen Zeitung wurde von „Verheizter Heimat“ gesprochen und die Frage aufgeworfen, warum in Zeiten der Energiewende ein ganzer Landstrich verfeuert werden muss.
Und ich frage mich: Wann kommt die Zukunft nach Bürgewald?
Der Hambacher Tagebau-
Seit über 45 Jahren reißen Bagger hier die Erde auf, 400 Meter tief, auf einer Fläche so groß wie der Chiemsee, wobei der nur maximal gut 70 Meter tief ist. Wer unten im Loch einen Bagger bedient, arbeitet etwa 300 Meter unter Meeresniveau. Wenn da die Sonne auf die Kohle scheint, wird es vermutlich ganz schön warm. Habe ich mir gedacht, als ich oben an der Kante des Hambacher Tagebau stand. Da standen auch ganz schöne Hinweistafeln von RWE, die hier noch bis 2030 richtig viel Kohle verdienen.
Hambacher Tagebau
Auf einer dieser Tafeln stand, dass ein Bagger 240.000 Tonnen Kohle pro Tag fördern kann. Damit könnte man ein Fußballstadion 30 Meter hoch zuschütten, stand auch auf der Tafel. Zugegeben, das schafft mein Enkel mit seinem Bagger nicht.
Was da aber nicht stand: Braunkohle produziert pro Tonne bei der Verbrennung auch ca. 1 Tonne CO2. Und wenn man die jährliche Kohleförderung aus meinem Loch – dem Hambacher Tagebau – mal mit ca. 20 Millionen Tonnen veranschlagt – RWE spricht von 20-40 Mio. Tonnen – dann bläst diese Kohle bei der Verstromung 20 Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Das würden auch die Flugzeuge machen, die in einem Jahr 20 Millionen deutsche Touristen nach Kreta und zurückbringen würden (es sind aber nur ca. 4 Millionen). Auch ein schöner Vergleich, oder?
Zu lesen ist auf diesen schönen Tafeln auch, dass in den bereits rekultivierten Gebieten (z.B. Sophienhöhe) schon 2200 Tierarten nachgewiesen wurden.
Dass parallel dazu über 40.000 Menschen ihre Heimat verloren haben, stand da nicht. 800 Pflanzenarten hat man auch gefunden, heißt es. 130 Dörfer und Weiler, die plattgemacht wurden, finden keine Erwähnung.
Ich war mit zwei Freunden unterwegs. Thomas wohnt in Sichtweite des Hambacher Tagebaus und Udo findet das neue Leben, das in Industrie- und Gewerbebrachen entsteht, faszinierend.
Bürgewald
Da gibt’s in NRW viel Schönes für ihn. Zum Beispiel gleich nebenan, in Bürgewald, im Dorf der Zukunft (Ursprung: Bürgewald war ein Jahrhunderte Jahre alter Mischwald in der Region, der den umliegenden Gemeinden als Allmende diente / Teile davon wurden später als Hambacher Forst bezeichnet).
Bürgewald hieß früher Morschenich, dann Morschenich-Alt. Es heißt jetzt Bürgewald, damit Morschenich-Neu, dass ja als Ersatz für Morschenich-Alt auf der grünen Wiese erbaut wurde, nur noch Morschenich heißt und eben nicht mehr Morschenich-Neu. Alles klar?
Eigentlich sollte Morschenich-Alt ja vom Erdboden verschwinden. Nachdem fast alle Bewohner das Weite gesucht hatten, wurde plötzlich entschieden. Alles Quatsch, wir lassen das Dorf als Geisterdorf bestehen, wir machen sogar ein Dorf der Zukunft daraus, toll.
2021 wurde entschieden, dass Morschenich-Alt bergtauglich nicht mehr in Anspruch genommen werden soll. Seitdem gammeln fast alle 140 Häuser des Dorfes vor sich hin. Zuerst wollte man den ganzen Ort abreißen, jetzt werden einige Häuser vorübergehend von Flutopfern (2021) bewohnt. Die sogenannte Gemeindebedarfsinfrastruktur liegt am Boden, die Kirche ist abgebrannt, Spielplätze, Geschäfte – alles Fehlanzeige.
Auf der Internetseite NRW.URBAN (https://nrw-urban.de/zukunftsdorf_buergewald/) heißt es allerdings, u.a.:
„Mit viel positiver Energie wird aus dem Braunkohle-Dorf Morschenich-Alt das erste Zukunftsdorf im Strukturwandel Rheinisches Revier. Aus dem Investitionsgesetz Kohleregion werden für den Grunderwerb durch Merzenich und die umfassende Sanierung und Entwicklung des Ortes rund 90 Millionen Euro bereitgestellt werden. Im Zukunftsdorf soll nicht nur das frühere Ortsbild mit historisch wertvollen Gebäuden und Strukturen erhalten, sondern es soll mit innovativen Gebäuden und Baufeldern nachhaltig ergänzt werden.“
Die Bilder aus dem Juli 2024 sprechen eine andere Sprache!
Die Pläne sind großtrabend – die Wirklichkeit ist bedrückend. Und in der Umgebung zeigt sich ein ganz ähnliches Bild. In Manheim, 6 Kilometer entfernt, lebten einmal über 1500 Menschen, unter ihnen der ehemalige Rennfahrer Michael Schumacher. Hier wird vermutlich nur noch die denkmalgeschützte Kirche St. Albanus und Leonhardus stehenbleiben, der Rest soll noch in diesem Jahr weggebaggert werden – oder auch nicht?
Was für eine Zerstörung, was für eine Tristesse.
Hambacher Forst
Wie in den Resten des Hambacher Forstes. In den letzten zwei Quadratkilometern Wald herrscht gespenstige Ruhe, schmuddelige Zeugnisse der Vergangenheit rotten am Wegesrand vor sich hin. Seit 2012 wurde hier gegen die Ausdehnung des Hambacher Tagebaus und die weitere Abholzung demonstriert. Einer Waldbesetzung und anschließenden Räumung folgte die Nächste. RWE mit dem Land NRW im Rücken gegen „Öko-Terroristen“ mit immer mehr Anhängern und Sympathisanten im Rücken (Laut einer am 7. Oktober 2018 veröffentlichten Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des WDR-Politmagazins Westpol fanden von den Nordrhein-Westfalen 79 Prozent die Rodung nicht richtig). Im Herbst 2018 kam es zu irrwitzigen Vorfällen/Aktionen und Gerichtsurteilen, die in immer kürzeren Abständen wieder einkassiert wurden.
Baummenschen
NRW-Innenminister Reul war der festen Überzeugung, dass die „Baummenschen“ den Staat abschaffen wollten.
Die Häuser der Baummenschen wurden zu baulichen Anlagen erklärt, ohne ausreichenden Brandschutz und Fensterbrüstungen. Es wurden Waffen sichergestellt, vorwiegend Äxte und Sägen. Es wurde Kot in Eimern aus den Baumkronen heruntergeschüttet. Der Journalist Steffen Meyn stürzte in den Tod.
RWE und die NRW-Organe zeigten ein letztes Mal, wo der Hammer hängt. Mit schwerstem Gerät wurden Baumhäuser geräumt und geschleift. Am 5. Oktober 2018 kam dann das Große Mausohr (eine Fledermausart) zu seinem großen Auftritt.
Das Große Mausohr
Das OVG Münster sah bei einem Rodungsstopp die bundesweite Energieversorgung nicht gefährdet und gab dem BUND recht, dass das heimische Große Mausohr im Hambacher Forst geschützt werden muss. Die RWE Aktie stürzte knapp 9 Prozent ab, es wurde auf kleinerer Flamme weiter demonstriert, der Rodungsstopp wurde umgesetzt und seit drei Jahren herrscht über den Hambacher Forst nur noch das Große Mausohr und ihr Freund: die Bechsteinfledermaus.
In der Süddeutschen Zeitung wurde von „Verheizter Heimat“ gesprochen und die Frage aufgeworfen, warum in Zeiten der Energiewende ein ganzer Landstrich verfeuert werden muss.
Und ich frage mich: Wann kommt die Zukunft nach Bürgewald?
Noch ein Blogeintrag aus unserer Region:
„Papa, wir haben das Meer am Haus“
Links zu diesem Beitrag:
https://www.bund-nrw.de/fileadmin/nrw/dokumente/braunkohle/2022_Verheizte_Heimat_Liste_der_Umsiedlungen_im_Rheinland.pdf
https://www.rwe.com/der-konzern/laender-und-standorte/tagebau-hambach/