Ahrwein 21

Mein Tag bei der Weinlese in Bad Neuenahr

Bäume, Sträucher und Wiesen haben sich über den nassen Sommer gefreut, Kornfelder nicht und Weinstöcke schon gar nicht. An der Ahr hat es nicht nur am 14. Juli geschüttet, auch vorher und nachher kam viel Regen und wenig Sonne vom Himmel, alles nicht gut für den Ahrwein 21. Und ab Mitte Juli hatten viele vom Hochwasser betroffene Winzer erstmal Lebenswichtigeres zu tun als ihre Weinberge zu pflegen. Entsprechend sehen die Trauben an den steilen Hängen mitunter aus.

Die sehen gut aus!

Die Winzer kann das aber in diesem Katastrophenjahr nicht mehr sonderlich schocken. Nach dem Motto Augen zu und durch geht die Ernte los. Und ich darf dabei sein. Das Weingut Lingen aus Bad Neuenahr braucht meine Hilfe, also stehe ich letzten Freitag um halb acht Uhr auf der Matte. Das Familienunternehmen baut seit über 400 Jahren Wein an, auf derzeit ca. 5 Hektar. Damit bewirtschaftet die Familie etwa 1 Prozent der Weinanbaufläche rund um die Ahr.

Und noch eine Zahl zur Einordnung: Etwa 85 Prozent des Gebiets ist mit Rotwein bestockt.

Wie wird der Ahrwein 21 schmecken?

Start um 8 / Weinlese Ahrwein 21

Um kurz nach acht fährt der Chef mich und ein gutes Dutzend weiterer Helfer zum ersten Weinberg, Kirchtürmchen genannt. Hochnebel hängt noch über der Ahr, entsprechend frisch und taunass ist es.

Eine wunderbare Morgenstimmung, die das Elend im Tal vergessen lässt.

Nach kurzer Einweisung lege ich, mit Rebschere und Plastikwanne bewaffnet, los. Das Gelände ist nicht besonders steil, entsprechend findet man guten Stand. Leider hält sich das Ernte-Ergebnis in Grenzen. Laut Jan Lingen, dem Juniorchef, wird der Ertrag bei 30 Prozent eines Normaljahres liegen, zu lange zu nass und zu wenig Sonne und Pflege eben.

Auf der einen Seite

der Weinstockreihe arbeite ich, auf der anderen Seite gibt sich Sabine aus Bad Godesberg größte Mühe ihre Wanne zu füllen.

Freiwillige Helfer

Sie engagiert sich auch als freiwillige Helferin. Wir kennen uns nicht, finden aber schnell gemeinsame Themen, hatten sogar einmal denselben Arbeitgeber in der Tourismusbranche. Nach knapp zwei Stunden wechseln wir den Standort. Die Trauben werden kaum besser, dafür das Gelände steiler. Jetzt wäre mal von Vorteil, wenn man ein kürzeres Bein hätte. Und dann wartet doch noch ein Weinberg auf uns, an dem es richtig Spaß macht zu ernten. Die Trauben sind groß und gesund, die Weinstöcke hängen voll. Die Chefin bringt das Mittagessen direkt an unseren Arbeitsplatz.

Familie Lingen – Vater, Mutter, Sohn

Reis mit Pilzen und Hühnerfleisch. Schmeckt und macht satt. Schokoriegel und Kaffee zum Nachtisch und dann wandern wir zum nächsten kleinen Weinberg.

Jetzt scheint die Nachmittagssonne

und es wird klar, warum an den Hängen der Ahr Trauben wachsen. Die Flächen heizen blitzschnell auf und halten die Wärme, der dunkle Schiefer machts möglich. Eben haben wir noch gefröstelt, jetzt steht die Hitze zwischen den Weinstöcken. Das merken wir besonders, weil unser letzter Weinberg eine Südwestausrichtung hat, also von der Nachmittagssonne direkt bestrahlt wird. Auf der anderen Seite des Weinstocks pflückt jetzt Wolfgang. Er hatte Glück, seine Wohnung gleich um die Ecke des Weinguts lag haarscharf über der hächsten Flutwelle. Sein Arbeitsplatz ist dafür unwiderruflich abgesoffen. Er war Croupier im Spielcasino in Bad Neuenahr.

Schön heiß im Weinberg

Gegen halb fünf legen wir die Schere aus der Hand und waschen uns die klebrigen Hände in einer Pfütze Wasser. Im Kastenwagen geht die Fahrt zurück zum Weingut, nicht für mich. Die „Kiste“ hat keine Fenster und wird, wie bei der Hinfahrt, wenn wir zu 10 darin hocken, in Minutenschnelle abartig heiß. Ich wandere zurück, durch ein Bad Neuenahr zwischen Abriss und Aufbruch. Ein Bild macht Hoffnung, das nächste deprimiert. Bei Lingens gibts ein Stubbi (0,33 L Flasche Bitburger) auf die Hand und als Dank eine Flasche Flutwein Spätburgunder, Jahrgang 2018. Als die Welt noch in Ordnung war, hier unten an der Ahr.

Flutwein vom Weingut Lingen

Kleiner Hinweis zum Schluss: Wer glaubt eine Weinlese an der Ahr im Jahre 2021 wäre ähnlich romantisch wie eine Weinlese in Italien oder Frankreich, der wird vor Ort enttäuscht.

Trotzdem oder gerade deswegen wird jede Hilfe für den Ahrwein 21 gebraucht!

Ürigens: In dieser Woche (Mi.Do.Sa.) wurden im Weingut Lingen die Trauben für Spätburgunder und Blanc de Noir geerntet. Das Weingut liegt nur gut 100 Meter von der Ahr entfernt, entsprechend groß waren die Schäden. Alles befindet sich jetzt, zusätzlich zur Lese, im Aufbau. Vieles noch provisorisch, aber ganz wichtig: Die Weinpresse wurde frisch repariert!

Hier der Link fürs Weingut Peter Lingen:

https://www.weingut-lingen.de/

Vielleicht ein hilfreicher Link für alle, die helfen wollen: https:

https://www.ahrhelp.com/

Und abschließend: Interner Link zu meinem ersten Eintrag über die Ahr:

27.7.21 Dernau!

Ich - Mikka Ich war schon immer eher Läufer und nicht Rädchen-Fahrer. Wir wohnten am Hang, ein unbefestigter Feldweg führte zu unserem Haus. Wir haben unsere Räder immer mehr geschoben als gefahren. Später verdiente ich mein Geld als Bademeister und Fensterputzer, da war ich auch viel zu Fuß unterwegs, ja und dann habe ich mit dem Marathon laufen angefangen. Und mit dem Bergwandern, ich war auch Reiseleiter im Himalaya. Als das Heruntergehen meinen Knien nicht mehr gefiel, hab ich das Paragleiten gelernt. Soviel zu meiner Sportkarriere. Beruflich lief es auch nicht so glatt. Als Junge wollte ich die Wetterstation auf der Zugspitze übernehmen. Es hat dann nur zum Wetterfrosch ohne Ausbildung gereicht. Lehrer konnte ich auch nicht werden, da hatte ich zwar eine Ausbildung, aber das Land NRW keine Jobs. Also wurde ich eben Reiseleiter, Reisereferent, Reiseverkäufer, Reiseredakteur und Reisejournalist. Ich bin ein bisschen herumgekommen. Habe Reisefilme gedreht, Reiseartikel und zwei Reisebücher geschrieben. Ich habe vor und hinter der Kamera gestanden, den Mount Everest fast bestiegen und die Sahara quasi durchquert. Ich bin viele Berge hochgelaufen und heruntergeflogen und ich bin seit 65 Jahren Gladbach Fan. Ich wurde in Mönchengladbach geboren.

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