In diesen Tagen, in denen Fernweh nur schwer zu stillen ist, werden Reiseträume mitunter zu einer guten Medizin. Von Reisen nach Neuguinea träume ich gerne. Weil im Baliem Valley auf Neuguinea nicht nur die Uhren komplett anders gingen, es gab dort überhaupt keine Uhren. Überhaupt gab es fast gar nichts von dem, was für unsereins schon damals wichtig beziehungsweise selbstverständlich war. Eine Dusche, oder zumindest Wasser aus einem Hahn zum Beispiel. Oder eine Unterkunft mit Fensterglas, oder ein Bett mit einer Auflage. Dafür gab es jede Menge Gummistiefel, Regenschirme und Penisköcher. Und echt coole Einwohner. Jetzt könnten böse Zungen natürlich sofort schreien: Du bist doch nur zu den Dani gefahren, um Eingeborenen bei ihrem täglichen Elend zuzuschauen.
Dem war aber nicht so. Weil:
Das indigene Volk der Dani, das im Baliem Tal siedelt, ein einfaches und traditionelles, aber kein elendes Leben führte. Ich bin mehrmals nach Irian Jaya gereist und ich habe viele Tage im Tal verbracht. So konnte ich mir auf endlosen Wanderungen und den vielen Besuchen in den Dörfern ein gutes Bild machen.
Ich ein armer Student war und der Job des Reiseleiters gut bezahlt wurde (inkl. Trinkgelder).
Das Tal und die Menschen mich absolut fasziniert haben.
Wir kamen per Flieger von Denpasar (Bali) über Biak nach Jayapura, dem Verwaltungssitz von Irian Jaya, dem indonesischen Teil der Insel Neuguinea. Weiter ging es mit einer kleinen Twin Otter nach Wamena, dem Hauptort des Baliem Tals, auf 1700 Metern Höhe gelegen.
Das Flughafengebäude war eine größere Garage, besaß aber zur Stadtseite hin eine Panoramascheibe. So konnten die Dani, die gerade Zeit hatten, die weißen Ankömmlinge in ihren seltsamen Klamotten bestaunen, wie sie auf ihr Gepäck warteten. Die wiederum hatten genügend Zeit, ihre Wahlheimat für die nächste Woche in Augenschein zu nehmen, inklusive deren Bewohner. Auf beiden Seiten wurde geglotzt, gestaunt und auch gelacht. Als der Gepäckmeister alle 18 Reisetaschen aus dem Flieger beisammen hatte, gabs ein gutes Trinkgeld an ihn und wir zogen von dannen. Der Transfer dauerte nicht lange, so ca. eine halbe Minute zu Fuß, weil unsere Unterkunft gleich nebenan stand.
Hotel Nayak
Wir wären daran vorbeigegangen, aber es stand Hotel Nayak dran und es war auch Hotel Nayak drinnen.
Die Zimmer: Unmöblierte Halbgaragen mit einem Bettgestell und einem Brett darauf und Waschbecken an der Wand, in denen dunkelgrünes Wasser stand. Die Glühbirnen waren fast alle kaputt, Wamena war nicht bekannt für ausschweifendes Nachtleben. Meine Reiseteilnehmer hatten sehr viel Geld für diese Reise bezahlt und zuvor schon auf Sumatra, Kalimantan und besonders in Gunungsitoli auf Nias abenteuerliche Unterkünfte genießen dürfen. Aber das beste Haus am Ort hier in Wamena schlug all unsere vorherigen Unterkünfte in Sachen Nicht-Komfort, Nicht-Bequemlichkeit und Nicht-Gastlichkeit um Längen. Am nächsten Morgen gabs Toastbrot ungetoastet und Kaffee vom Vortag im Hotelrestaurant aus Wellblech ohne Fensteröffnungen. Es war sehr dunkel und nicht sehr lecker, deswegen starteten wir sehr schnell in unseren Tag.
Aikima
Ziel war das Dorf Aikima, etwa 10 Kilometer entfernt, zu Fuß über breite Trampelpfade. Sattgrüne Landschaft im Dauerregen umgabt uns. Wer eine Regenjacke trug wurde von innen klatschnass, die andern von außen. Denn das Baliem Tal liegt sehr nah am Äquator, entsprechend regnet es nicht nur viel, sondern ist auch schön warm. Die Höhenlage dämpft die größte Hitze. Entgegen kamen uns immer wieder Dani-Männer, auf dem Weg zu den Feldern oder zum Markt. Bekleidet oftmals maximal mit Gummistiefeln und Penisköcher/Futteral (Koteka). Meist gaben wir uns die Hände und grüßten uns gegenseitig mit einem Lachen und einem „Najak“ auf den Lippen. So gehört sich das bei den Dani. In Aikima warteten zwei Männer auf uns. Einer war gut 200 Jahre alt, der andere, sein Manager, so ca. 45 Jahre.
Der nahm uns ziemlich viel Geld ab, das wir auf einem Bananenblatt sammeln mussten. Danach durften wir von dem Alten ein Foto machen. Er war zu Lebzeiten ein unbesiegter Krieger und die Familie war der festen Überzeugung, dass seine fortdauernde Anwesenheit seine Kräfte auf die ganze Sippe übertragen würde. Auf dem Rückweg erwischten wir eine Regenpause, konnten die gepflegten Gärten und Felder der Dani bewundern, alle mit perfekt angelegten Bewässerungsgräben versehen. Jede Frau erhält von ihrem Mann ein angelegtes Feld. Und wenn ein Mann mehrere Frauen hat, was üblich ist im Baliem Valley, dann muss der Mann auch mehrere Felder anlegen. Ganz vorne auf der Speisekarte steht bei den Dani die Süßkartoffel, Maniok und Yamswurzel. Und ganz schnell dahinter kommt das Hausschwein.
Jiwika
Davon überzeugen konnten wir uns am nächsten Tag in Jiwika. Ich hatte für die örtliche Schule Schreibmaterial mitgebracht und im Gegenzug wurden wir bei der Familie des Dorfchefs zum Schweineessen eingeladen. Auch seine Hausanlage bestand aus Männer-, Frauen-, und Schweinehaus.
Auf dem Platz davor durften wir auf dem Lehmboden Platz nehmen und zuschauen, wie ein 15 Kilo Schwein in unsere Richtung getrieben und dann vom Chef mit Pfeil und Bogen aus der Flur genommen wurde. Ein großes Feuer, in dem dicke runde Steine erhitzt wurden, verscheuchte die ätzenden Mückenschwärme. Gleich daneben lag eine Erdgrube, mit Bananenblättern ausgelegt. In die kamen wenig später die glühend heißen Steine, zusammen mit Süßkartoffeln, Gemüse und eben: frisches Schweinefleisch.
Das Ganze wurde mit Gras und Lianen zu einem großen Paket verschnürt und dann saßen wir mit dem gesamten Familienclan in der Dunkelheit, blödelten und lachten ohne jede Sprachkenntnisse (Es gibt in Irian Jaya 800! Sprachen.) und ließen uns nass regnen. Irgendwann war die Sau gar und das Paket wurde ausgepackt. Lecker wars, und saftig und dreckig. Weil Schlamm, Regen, Schweinebrocken und Süßkartoffeln in der Hand zu Matsche werden. Da ich der Häuptling meiner Gruppe war, durfte ich im Männerhaus auf einem Bettgestell mit Decken und kleinen Tieren schlafen, während meiner Gruppe der Lehmboden eines Vorratsraumes zugewiesen wurde.
Eine Woche blieben wir im Baliem Tal, das von über 4000 Meter hohen Bergen umrahmt wird. Sind viel gewandert, am Ende auch in Gummistiefeln. Manche in Badehose, alle mit Schirm.
Bei den Dani imBaliem Valley
Wir haben stundenlang auf Märkten gehockt, Frauen zugeschaut, wie sie Salz gewinnen und vor allem Geschichten gehört. Immer wieder half mir ein einheimischer Übersetzer und der versicherte uns jeden Tag auf Neue: Seid froh, dass ihr erst jetzt ins Tal gekommen seid. Vor ein paar Jahren noch haben wir Besucher hier aufgegessen, besonders gerne Missionare.
Auf dem Rückflug saßen wir ab Jayapura mit einer amerikanischen Reisegruppe im Flieger. Der stand fertig zum Abheben auf der Startbahn, hob aber nicht ab. Übergewicht hieß es von Seiten eines Stewards. Und dann durften unsere amerikanischen Mitreisenden bestürzt mitanschauen, wie ihre riesigen verschnürten kunstvollen Holzfiguren, die sie für sehr viel Geld im südlich gelegenen Asmat ersteigert hatten, ausgeladen wurden. Das half beim Gewicht und Minuten später hob die Maschine ab, mit vielen weinenden Menschen an Bord. Die Holzfiguren wurden vermutlich wieder nach Asmat geschafft und haben da auf die nächste Touristengruppe aus Amerika gewartet. Keine schlechte Methode, um die eigene Kunst und Kultur vor dem Ausverkauf zu schützen und Entwicklungshilfe neu zu interpretieren.
Hier ein Link zu einer weiteren Geschichte von „ganz früher“:
Diese Ikarustouristen schrecken vor nichts zurück. Da war spartanisch Reisen noch Abenteuer und Du ein junger Kerl. Sehr schön, liege auf KnisterKomfortIsomatte?im1.40m⛺️für wenig Geld und hoffe auf weitere Traumroute am Mittelmeer . Bis der Niesel aufhört bleibe ich liegen und lese ich Deine Geschichte?
Auf Neuguinea!
In diesen Tagen, in denen Fernweh nur schwer zu stillen ist, werden Reiseträume mitunter zu einer guten Medizin. Von Reisen nach Neuguinea träume ich gerne. Weil im Baliem Valley auf Neuguinea nicht nur die Uhren komplett anders gingen, es gab dort überhaupt keine Uhren. Überhaupt gab es fast gar nichts von dem, was für unsereins schon damals wichtig beziehungsweise selbstverständlich war. Eine Dusche, oder zumindest Wasser aus einem Hahn zum Beispiel. Oder eine Unterkunft mit Fensterglas, oder ein Bett mit einer Auflage. Dafür gab es jede Menge Gummistiefel, Regenschirme und Penisköcher. Und echt coole Einwohner. Jetzt könnten böse Zungen natürlich sofort schreien: Du bist doch nur zu den Dani gefahren, um Eingeborenen bei ihrem täglichen Elend zuzuschauen.
Dem war aber nicht so. Weil:
Wir kamen per Flieger von Denpasar (Bali) über Biak nach Jayapura, dem Verwaltungssitz von Irian Jaya, dem indonesischen Teil der Insel Neuguinea. Weiter ging es mit einer kleinen Twin Otter nach Wamena, dem Hauptort des Baliem Tals, auf 1700 Metern Höhe gelegen.
Das Flughafengebäude war eine größere Garage, besaß aber zur Stadtseite hin eine Panoramascheibe. So konnten die Dani, die gerade Zeit hatten, die weißen Ankömmlinge in ihren seltsamen Klamotten bestaunen, wie sie auf ihr Gepäck warteten. Die wiederum hatten genügend Zeit, ihre Wahlheimat für die nächste Woche in Augenschein zu nehmen, inklusive deren Bewohner. Auf beiden Seiten wurde geglotzt, gestaunt und auch gelacht. Als der Gepäckmeister alle 18 Reisetaschen aus dem Flieger beisammen hatte, gabs ein gutes Trinkgeld an ihn und wir zogen von dannen. Der Transfer dauerte nicht lange, so ca. eine halbe Minute zu Fuß, weil unsere Unterkunft gleich nebenan stand.
Hotel Nayak
Wir wären daran vorbeigegangen, aber es stand Hotel Nayak dran und es war auch Hotel Nayak drinnen.
Die Zimmer: Unmöblierte Halbgaragen mit einem Bettgestell und einem Brett darauf und Waschbecken an der Wand, in denen dunkelgrünes Wasser stand. Die Glühbirnen waren fast alle kaputt, Wamena war nicht bekannt für ausschweifendes Nachtleben. Meine Reiseteilnehmer hatten sehr viel Geld für diese Reise bezahlt und zuvor schon auf Sumatra, Kalimantan und besonders in Gunungsitoli auf Nias abenteuerliche Unterkünfte genießen dürfen. Aber das beste Haus am Ort hier in Wamena schlug all unsere vorherigen Unterkünfte in Sachen Nicht-Komfort, Nicht-Bequemlichkeit und Nicht-Gastlichkeit um Längen. Am nächsten Morgen gabs Toastbrot ungetoastet und Kaffee vom Vortag im Hotelrestaurant aus Wellblech ohne Fensteröffnungen. Es war sehr dunkel und nicht sehr lecker, deswegen starteten wir sehr schnell in unseren Tag.
Aikima
Ziel war das Dorf Aikima, etwa 10 Kilometer entfernt, zu Fuß über breite Trampelpfade. Sattgrüne Landschaft im Dauerregen umgabt uns. Wer eine Regenjacke trug wurde von innen klatschnass, die andern von außen. Denn das Baliem Tal liegt sehr nah am Äquator, entsprechend regnet es nicht nur viel, sondern ist auch schön warm. Die Höhenlage dämpft die größte Hitze. Entgegen kamen uns immer wieder Dani-Männer, auf dem Weg zu den Feldern oder zum Markt. Bekleidet oftmals maximal mit Gummistiefeln und Penisköcher/Futteral (Koteka). Meist gaben wir uns die Hände und grüßten uns gegenseitig mit einem Lachen und einem „Najak“ auf den Lippen. So gehört sich das bei den Dani. In Aikima warteten zwei Männer auf uns. Einer war gut 200 Jahre alt, der andere, sein Manager, so ca. 45 Jahre.
Der nahm uns ziemlich viel Geld ab, das wir auf einem Bananenblatt sammeln mussten. Danach durften wir von dem Alten ein Foto machen. Er war zu Lebzeiten ein unbesiegter Krieger und die Familie war der festen Überzeugung, dass seine fortdauernde Anwesenheit seine Kräfte auf die ganze Sippe übertragen würde. Auf dem Rückweg erwischten wir eine Regenpause, konnten die gepflegten Gärten und Felder der Dani bewundern, alle mit perfekt angelegten Bewässerungsgräben versehen. Jede Frau erhält von ihrem Mann ein angelegtes Feld. Und wenn ein Mann mehrere Frauen hat, was üblich ist im Baliem Valley, dann muss der Mann auch mehrere Felder anlegen. Ganz vorne auf der Speisekarte steht bei den Dani die Süßkartoffel, Maniok und Yamswurzel. Und ganz schnell dahinter kommt das Hausschwein.
Jiwika
Davon überzeugen konnten wir uns am nächsten Tag in Jiwika. Ich hatte für die örtliche Schule Schreibmaterial mitgebracht und im Gegenzug wurden wir bei der Familie des Dorfchefs zum Schweineessen eingeladen. Auch seine Hausanlage bestand aus Männer-, Frauen-, und Schweinehaus.
Auf dem Platz davor durften wir auf dem Lehmboden Platz nehmen und zuschauen, wie ein 15 Kilo Schwein in unsere Richtung getrieben und dann vom Chef mit Pfeil und Bogen aus der Flur genommen wurde. Ein großes Feuer, in dem dicke runde Steine erhitzt wurden, verscheuchte die ätzenden Mückenschwärme. Gleich daneben lag eine Erdgrube, mit Bananenblättern ausgelegt. In die kamen wenig später die glühend heißen Steine, zusammen mit Süßkartoffeln, Gemüse und eben: frisches Schweinefleisch.
Das Ganze wurde mit Gras und Lianen zu einem großen Paket verschnürt und dann saßen wir mit dem gesamten Familienclan in der Dunkelheit, blödelten und lachten ohne jede Sprachkenntnisse (Es gibt in Irian Jaya 800! Sprachen.) und ließen uns nass regnen. Irgendwann war die Sau gar und das Paket wurde ausgepackt. Lecker wars, und saftig und dreckig. Weil Schlamm, Regen, Schweinebrocken und Süßkartoffeln in der Hand zu Matsche werden. Da ich der Häuptling meiner Gruppe war, durfte ich im Männerhaus auf einem Bettgestell mit Decken und kleinen Tieren schlafen, während meiner Gruppe der Lehmboden eines Vorratsraumes zugewiesen wurde.
Eine Woche blieben wir im Baliem Tal, das von über 4000 Meter hohen Bergen umrahmt wird. Sind viel gewandert, am Ende auch in Gummistiefeln. Manche in Badehose, alle mit Schirm.
Bei den Dani im Baliem Valley
Wir haben stundenlang auf Märkten gehockt, Frauen zugeschaut, wie sie Salz gewinnen und vor allem Geschichten gehört. Immer wieder half mir ein einheimischer Übersetzer und der versicherte uns jeden Tag auf Neue: Seid froh, dass ihr erst jetzt ins Tal gekommen seid. Vor ein paar Jahren noch haben wir Besucher hier aufgegessen, besonders gerne Missionare.
Auf dem Rückflug saßen wir ab Jayapura mit einer amerikanischen Reisegruppe im Flieger. Der stand fertig zum Abheben auf der Startbahn, hob aber nicht ab. Übergewicht hieß es von Seiten eines Stewards. Und dann durften unsere amerikanischen Mitreisenden bestürzt mitanschauen, wie ihre riesigen verschnürten kunstvollen Holzfiguren, die sie für sehr viel Geld im südlich gelegenen Asmat ersteigert hatten, ausgeladen wurden. Das half beim Gewicht und Minuten später hob die Maschine ab, mit vielen weinenden Menschen an Bord. Die Holzfiguren wurden vermutlich wieder nach Asmat geschafft und haben da auf die nächste Touristengruppe aus Amerika gewartet. Keine schlechte Methode, um die eigene Kunst und Kultur vor dem Ausverkauf zu schützen und Entwicklungshilfe neu zu interpretieren.
Hier ein Link zu einer weiteren Geschichte von „ganz früher“:
Abenteuer im Orient
Comment (1)
Diese Ikarustouristen schrecken vor nichts zurück. Da war spartanisch Reisen noch Abenteuer und Du ein junger Kerl. Sehr schön, liege auf KnisterKomfortIsomatte?im1.40m⛺️für wenig Geld und hoffe auf weitere Traumroute am Mittelmeer . Bis der Niesel aufhört bleibe ich liegen und lese ich Deine Geschichte?