Ich kann die Borkenkäfer gut verstehen. Der deutsche Tann hat ordentlich geschmeckt, aber die fetten Jahre sind hier vorbei. Zu viele Artgenossen tummeln sich auf den letzten schwindsüchtigen Fichten, dazu die Aussicht über die kahlen Mittelgebirgshänge: trist und grau. Da zieht es auch den Borkenkäfer in lichtere Höhen. Dahin, wo am Horizont die Gletscher noch strahlen und die Alpenblumen blühen. Dahin, wo Wind- und Schneebruch und eine schöne lange Trockenzeit dem hungrigen Käfer die Tafel reich gedeckt haben. Gestresste Fichten, soweit das Auge reicht, in Kärnten und Osttirol bis auf fast 2000 Metern Meereshöhe.
Da hat sich der Waidmann über Wanderer, Mountainbiker und Paragleiter mordsmäßig aufgeregt und jetzt das ultimative Desaster: ihr Wald fliegt ihnen um die Ohren, die Gämse findet keine Deckung mehr und macht die Biege, das Gewehr im Schrank, der Hochsitz verwaist und der Jäger depressiv und volltrunken im Jagertee-Rausch.
Nein, im Ernst!
Dass den Jägern ihr Hobby ein wenig versaut wird, ist nicht weiter tragisch. Viel tragischer ist, dass jetzt vielerorts Schlamm- und Schneelawinen ungebremst zu Tal rasen können, die Erosion generell an den oftmals steilen Hängen leichtes Spiel bekommt, das befallene Holz oft zu langsam (vor allem wegen der herausfordernden Topographie) aus dem Wald geschafft werden kann, sich das Landschaftsbild komplett verändert und eine Wiederaufforstung viel teurer, aufwendiger und langsamer erfolgen kann als in unseren hügeligen Mittelgebirgen.
Und da wir erst am Anfang des Klimawandels stehen, ist der Schaden der Borkenkäfer vermutlich erst ein ganz leichter Vorgeschmack auf das, was uns noch blühen wird.
Ein paar Fakten zu den kleinen Zerstörern:
Der Borkenkäfer zählt zur Familie der Rüsselkäfer.
Borkenkäfer sind kälteresistent und überleben tiefe Forsttemperaturn, sie können bis zu zwei Jahre alt werden.
Der Borkenkäfer hat zwar natürliche Feinde, z.B. Spechte, ernsthaft bedrohen können diese die Massenvermehrung der Käfer aber nicht.
Borkenkäfer sind nur 2-8 mm große, braun-schwarze Insekten, die sich in die Rinde von Nadelbäumen bohren zwecks Vermehrung und Nahrungsaufnahme.
Sowohl Larven als auch erwachsene Tiere richten Schaden an.
Befallene Bäume wehren sich zwar mit Harz gegen eine Borkenkäfer-Plage, sterben allerdings in den meisten Fällen innerhalb kurzer Zeit ab. Die Käfer fressen sich zwischen Borke und Splintholz (junger, Wasser führender Holzring um das harte Kernholz) durch den so genannten Bast. Dabei durchtrennen sie die Leitungsbahnen, die die Baumwurzeln mit lebenswichtiger, in den Nadeln gebildeter Nahrung versorgen. Auch die Wasserversorgung in die Baumkrone kommt zum Erliegen.
Mehr als 6000 Borkenkäferarten besiedeln unseren Planeten. Davon sind ca. 110 Arten im deutschsprachigen Raum heimisch, die mehrheitlich ein Leben im Verborgenen führen und keine größeren Schäden anrichten. Ist im deutschsprachigen Raum die Rede von Borkenkäfern, sind primär Buchdrucker und Kupferstecher gemeint. Der Buchdrucker ist der gefährlichste Schädling, weil er sich vorzugsweise auf ausgewachsene Fichten stürzt. Der Kupferstecher sucht sich eher Jungpflanzen und dünne Stammteile.
Die deutsche Bezeichnung Buchdrucker stammt von den Larvengängen des Käfers, deren Aufsicht bei früheren Wissenschaftlern eine Assoziation mit arabischen Schriftzeichen weckte.
Borkenkäfer sind Insekten mit einem vollständig ausgebildeten Flugapparat. Gerne erheben sich die Käfer nicht in die Lüfte. Lediglich für die Suche nach einem geeigneten Wirtsbaum fliegen Borkenkäfer kurze Strecken mit einer Entfernung von unter 100 Metern, mit Windunterstützung auch mal ein bis zwei Kilometer.
Buchdrucker vermehren sich in absolutem Rekordtempo. Wenn im Frühling die Temperaturen die 16-Grad-Marke übersteigen, werden die Borkenkäfer im Winterquartier munter. Mit traumwandlerischer Sicherheit finden Männchen einen geschwächten Nadelbaum, vorzugsweise eine Fichte, und bohren sich in die Rinde. Dort legen sie am Eingang des Brutgangs eine Rammelkammer an. Da geht’s dann richtig zur Sache. Buchdrucker betreiben Vielweiberei. Mehrere Weibchen suchen die Rammelkammer auf und werden begattet. Jedes Weibchen frisst einen seitlich abzweigenden Gang in die Rinde und legt in Nischen die Eier ab.
„Eine Buchdrucker-Larve durchläuft innerhalb von sechs Wochen alle Stadien seiner Entwicklung bis zum geschlechtsreifen Borkenkäfer. Während dieser Brutzeit frisst das Gesindel sich pausenlos durch die Rinde. Ein durchschnittliches Brutsystem verfügt über 40 Larvengänge. Schlüpfen daraus 20 Weibchen, die sich ihrerseits mit 50-prozentigem Erfolg vermehren, verzehnfacht sich deren Anzahl pro Generation. Im Anschluss an die erste Flugzeit im April und Mai folgen zumeist zwei weitere Flugzeiten im Juli/August sowie im September. Bei drei Generationen pro Jahr kommt ein Buchdrucker-Weibchen auf bis zu 100.000 Nachkommen. Diesem Befallsdruck ist kein Nadelbaum gewachsen, selbst wenn er literweise Harz fließen lässt als Abwehrstrategie.“ Quelle: https://www.gartenjournal.net/borkenkaefer
Eine Hochrechnung in NRW aus dem Jahr 2018 hat ergeben, dass aus der Borkenkäfer-Population eines einzigen Baumes eine potenzielle Nachkommenschaft von 1,5 Mrd. Käfern im Folgejahr entstehen kann.
Mit sogenannten Pheromonfallen könnte man Borkenkäfer erfolgreich bekämpfen, wenn sie sich nicht ganz so schnell vermehren würden. So aber können die Fallen lediglich dem Monitoring dienen. Effektiv bekämpfen kann man die Viecher mit diesen Fallen nicht.
Es ist ein Mythos, dass das Holz borkenkäferbefallener Bäume ein Rohstoff minderer Qualität ist. Im Gegenteil: Käferholz verfügt über nahezu identische Eigenschaften wie herkömmliches Schnittholz und ist als Material im Holzbau uneingeschränkt zulässig.
Der Borkenkäfer legt seine Gänge im Bast, also dem Bereich zwischen Rinde (Borke) und Stamm an, jedoch nicht im tragenden Holzkörper selbst. Das sogenannte Käferholz muss nicht, wie in Deutschland häufig geschehen, als minderwertige und billige Ware nach China exportiert werden. Wichtig ist, dass Käferholz möglichst schnell geschnitten und getrocknet wird.
Und wichtig ist auch, dass befallene Holz- und Rindenreste nach dem Abtransport der Stämme auch aus dem Wald geholt und vernichtet werden. Der Borkenkäfer ist ein zähes Wesen! Wenn man die Baumstümpfe im Boden belässt, bleibt ein gewisser Lawinenschutz zwar erhalten, dafür
Zurück nach Österreich und dort nach Osttirol
Die Schnee- und Sturmkatastrophen seit 2018 ( Herbststurm Vaia 2018/ Frühwintersturm Ingmar 2019 / Wintersturm Virpy 2020), dazu die lang anhaltenden Hitze- und Trockenperioden haben dazu geführt, dass sich die Landschaftsbilder in Osttirol dramatisch verändern. Und nicht nur dort, auch in Südtirol, Kärnten, Nieder- und Oberösterreich finden die Käfer haufenweise vorgeschädigte Nadelbäume, an denen sie sich sattfressen können. Ein Ende der Ausbreitung ist nicht abzusehen.
Der Klimawandel ist der beste Freund der Borkenkäfer, auch die endlosen Regenunwetter dieses Hochsommers passen dem Käfer gut in den Kram. Er mag sich kurzfristig etwas weniger ausbreiten, dafür sorgt die Erosion für eine weitere Schwächung von steilen Waldhängen und den Waldarbeitern wächst die Arbeit über den Kopf.
Für beschädigte Waldflächen erstellen die Bundesforste Wiederbewaldungskonzepte. Hier wird der natürlichen Verjüngung unter Beimischung alternativer Baumarten der Vorrang eingeräumt. Gleichzeitig muss der Waldumbau weiter vorangetrieben werden. Gepflanzt werden deshalb vor allem jene Baumarten, die mit den zukünftigen Klimabedingungen besser zurechtkommen. Das sind etwa die Lärche, die durch ihre tiefverankerten Wurzeln Stürmen besonders gut standhalten kann, aber auch Zirben, Bergahorn oder Vogelbeeren.
Aber wer soll das alles machen. Während der Wald früher problemlos vor sich hingewachsen ist, vegetiert er heute schwerkrank an den Steilhängen der Berggipfel und benötigt unfassbar viel Pflege.
Unter schwierigsten Bedingungen im Hochgebirge müssen Schäden von Muren behoben werden und gleichzeitig muss fast jeder einzelne Baum ständig kontrolliert werden, ob er vom Käfer befallen wurde. Wenn ja, sollte er nicht nur möglichst sofort gefällt und abtransportiert werden, sondern auch alle anfallenden Holzabfälle müssen entsorgt werden und dann muss auch noch zeitnah neu gepflanzt werden. Gelder und Manpower ohne Ende sind vonnöten.
Der Sommer geht zu Ende. Nach einem extrem trockenen Frühstart wurde es bei uns dann nass und nässer. Anderswo beherrschten andere Extreme das Wettergeschehen. Die direkten Folgen des Klimawandels rückten in der Hauptreisezeit in den Vordergrund. Wassser, Hagel, Schlammlawinen, Dürre, Feuer, Hitze, Sturm und Algen ließen Einheimische um ihre Existenzen bangen und versauten Urlaubern „die schönsten Wochen des Jahres“. Da rückte der Borkenkäfer mal kurzeitig in den Hintergrund. Aber seine Zeit wird wieder kommen, denn er hat Lust am Reisen gefunden, ganz im Gegensatz zu vielen von uns in diesem Sommer.
Ich kann die Borkenkäfer gut verstehen. Der deutsche Tann hat ordentlich geschmeckt, aber die fetten Jahre sind hier vorbei. Zu viele Artgenossen tummeln sich auf den letzten schwindsüchtigen Fichten, dazu die Aussicht über die kahlen Mittelgebirgshänge: trist und grau. Da zieht es auch den Borkenkäfer in lichtere Höhen. Dahin, wo am Horizont die Gletscher noch strahlen und die Alpenblumen blühen. Dahin, wo Wind- und Schneebruch und eine schöne lange Trockenzeit dem hungrigen Käfer die Tafel reich gedeckt haben. Gestresste Fichten, soweit das Auge reicht, in Kärnten und Osttirol bis auf fast 2000 Metern Meereshöhe.
Da hat sich der Waidmann über Wanderer, Mountainbiker und Paragleiter mordsmäßig aufgeregt und jetzt das ultimative Desaster: ihr Wald fliegt ihnen um die Ohren, die Gämse findet keine Deckung mehr und macht die Biege, das Gewehr im Schrank, der Hochsitz verwaist und der Jäger depressiv und volltrunken im Jagertee-Rausch.
Nein, im Ernst!
Dass den Jägern ihr Hobby ein wenig versaut wird, ist nicht weiter tragisch. Viel tragischer ist, dass jetzt vielerorts Schlamm- und Schneelawinen ungebremst zu Tal rasen können, die Erosion generell an den oftmals steilen Hängen leichtes Spiel bekommt, das befallene Holz oft zu langsam (vor allem wegen der herausfordernden Topographie) aus dem Wald geschafft werden kann, sich das Landschaftsbild komplett verändert und eine Wiederaufforstung viel teurer, aufwendiger und langsamer erfolgen kann als in unseren hügeligen Mittelgebirgen.
Und da wir erst am Anfang des Klimawandels stehen, ist der Schaden der Borkenkäfer vermutlich erst ein ganz leichter Vorgeschmack auf das, was uns noch blühen wird.
Ein paar Fakten zu den kleinen Zerstörern:
Zurück nach Österreich und dort nach Osttirol
Die Schnee- und Sturmkatastrophen seit 2018 ( Herbststurm Vaia 2018/ Frühwintersturm Ingmar 2019 / Wintersturm Virpy 2020), dazu die lang anhaltenden Hitze- und Trockenperioden haben dazu geführt, dass sich die Landschaftsbilder in Osttirol dramatisch verändern. Und nicht nur dort, auch in Südtirol, Kärnten, Nieder- und Oberösterreich finden die Käfer haufenweise vorgeschädigte Nadelbäume, an denen sie sich sattfressen können. Ein Ende der Ausbreitung ist nicht abzusehen.
Der Klimawandel ist der beste Freund der Borkenkäfer, auch die endlosen Regenunwetter dieses Hochsommers passen dem Käfer gut in den Kram. Er mag sich kurzfristig etwas weniger ausbreiten, dafür sorgt die Erosion für eine weitere Schwächung von steilen Waldhängen und den Waldarbeitern wächst die Arbeit über den Kopf.
Für beschädigte Waldflächen erstellen die Bundesforste Wiederbewaldungskonzepte. Hier wird der natürlichen Verjüngung unter Beimischung alternativer Baumarten der Vorrang eingeräumt. Gleichzeitig muss der Waldumbau weiter vorangetrieben werden. Gepflanzt werden deshalb vor allem jene Baumarten, die mit den zukünftigen Klimabedingungen besser zurechtkommen. Das sind etwa die Lärche, die durch ihre tiefverankerten Wurzeln Stürmen besonders gut standhalten kann, aber auch Zirben, Bergahorn oder Vogelbeeren.
Aber wer soll das alles machen. Während der Wald früher problemlos vor sich hingewachsen ist, vegetiert er heute schwerkrank an den Steilhängen der Berggipfel und benötigt unfassbar viel Pflege.
Unter schwierigsten Bedingungen im Hochgebirge müssen Schäden von Muren behoben werden und gleichzeitig muss fast jeder einzelne Baum ständig kontrolliert werden, ob er vom Käfer befallen wurde. Wenn ja, sollte er nicht nur möglichst sofort gefällt und abtransportiert werden, sondern auch alle anfallenden Holzabfälle müssen entsorgt werden und dann muss auch noch zeitnah neu gepflanzt werden. Gelder und Manpower ohne Ende sind vonnöten.
Der Sommer geht zu Ende. Nach einem extrem trockenen Frühstart wurde es bei uns dann nass und nässer. Anderswo beherrschten andere Extreme das Wettergeschehen. Die direkten Folgen des Klimawandels rückten in der Hauptreisezeit in den Vordergrund. Wassser, Hagel, Schlammlawinen, Dürre, Feuer, Hitze, Sturm und Algen ließen Einheimische um ihre Existenzen bangen und versauten Urlaubern „die schönsten Wochen des Jahres“. Da rückte der Borkenkäfer mal kurzeitig in den Hintergrund. Aber seine Zeit wird wieder kommen, denn er hat Lust am Reisen gefunden, ganz im Gegensatz zu vielen von uns in diesem Sommer.
Quellen:
https://www.tt.com/artikel/30860845/borkenkaefer-oesterreichweit-ein-problem-osttirol-und-oberkaernten-besonders-betroffen
https://www.forstpraxis.de/kleines-einmaleins-des-borkenkaefers-20505
Bildquellen:
2 Bilder vom Muhskopf in Prägraten: Hubert Wurzacher
2 Bilder Borkenkäfer: clipdealer
Interner Link: Noch ein Problemthema aus Osttirol
Der Wolf
Comment (1)
sehr interessanter Bericht!