Winter im Westen

Was sagen die Wetterpropheten? Trifft uns die Sibirische Peitsche mit voller Wucht und beschert uns ein Winter-Wunderland oder sehen wir Eis und Schnee nur, wenn wir die Pizza aus der Tiefkühltruhe holen.

Mir egal, ich liebe den Winter und hol ihn mir nach Hause.

Traumwinter

Der Sommer

hat es gut. Wenn er sich Mühe gibt und Freibadwetter schickt, wird er mit Lob überhäuft, an der Nordsee und am Rhein genauso wie im Allgäu und an der Donau.

Auch Frühjahr und Herbst

haben landesweit ein prächtiges Image, wenn sie genügend Sonnenstunden und angenehme Wärme abliefern. Der Winter dagegen hat es schwer, geliebt zu werden. Im Süden und Osten unserer Republik lässt er die Kassen klingeln (kleine Ausnahme: Winter 20/21), wenn er Schnee schickt, daher wird er dort zumindest geachtet, aber im Westen!

Ich wohne im tiefsten Westen und ich sage: Bei uns ist der Winter ein armer Hund

Kündigt der Wetterbericht

in der Langzeitprognose leichten Bodenfrost mit Raureif an, so stürmen augenblicklich Streusalzlasterfahrer die städtischen Streusalzlager. Prophylaktisch werden Straßen, Bürgersteige und Feldwege zentimeterdick eingesalzen. Wird dann zudem eine ausgeprägte Schneefront angekündigt (das passiert in diesen Tagen regelmäßig), die im Rheinland gerne mal 1 bis 3 Zentimeter Nassschnee abwirft, dann bewehren sich auch alle Privatpersonen, die eine Einfahrt oder einen Fußweg vor der Tür haben, mit zentnerschweren Salzsäcken, Schneeschiebern und Besen. Das Ziel aller großen und kleinen Salzstreuer: Die Lebensdauer einer Schneeflocke auf wenige Sekunden beschränken, höchstens auf Minuten und möglichst nie auf Stunden.

Der Schnee wird akkurat im Verhältnis 1:1 mit Salz versetzt

und löst sich dann augenblicklich auf. Wenn die Schneeflocken Glück haben, werden sie in dreckige Haufen zusammengeschoben und fristen dann noch ein kurzes und schäbiges Dasein am Wegesrand.

Dass im Rheinland einer Schneefront auch immer sofort eine Warmfront folgt, lässt die Schneeflockenjäger kalt. Genauso wie die Tatsache, dass am Ende eines jeden Winters das gesamte Rheinland so salzverkrustet danieder liegt wie das Tote Meer. Eigentlich ist der Rheinländer für seinen Humor und Frohsinn bekannt, aber bei der Schneeflocke versteht er keinen Spaß. Er hasst sie, er bekämpft sie, er tötet sie. Mich widert das an, ich habe ein Herz für Schnee, auch für Graupel und Raureif. Was kann die Flocke dafür, dass Frau Holle sie über dem Rheinland rieseln lässt.

Mein Herz macht Luftsprünge, wenn es Schnee sieht. Und deswegen kaufe ich mir für den nächsten Winter eine eigene Schneekanone. Die gibt es auch für den privaten Gebrauch.

In meinem Garten: Kunstobjekt von Willi Reiche, noch mit Naturschnee

Für ein paar hundert oder tausend Euro liefert sie mir bis zu 2 Kubikmeter feinsten Pulverschnee. Das nötige Wasser hole ich mir mit Pumpe und Schlauch aus einem kleinen Bach hinter meinem Haus.

Wenn das osteuropäische Winterhoch

ein Einsehen mit mir hat und seine Fühler bis in die rheinische Tiefebene ausstreckt, dann wird meine große Zeit gekommen sein. Bei minus 1 Grad werde ich den Schneemacher anwerfen und dann stündlich, auch während der Nacht, den Standort der Beschneiungsanlage wechseln.

Und am nächsten Morgen wird mein Hof und Heim

unter einer funkelnden und dicken Schneeschicht liegen. Und jede einzelne Schneeflocke wird glänzen, strahlen und glitzern, wenn sie merkt, dass kein Salzstreuer ihr den Garaus machen kann und will. Im Garten werde ich zum Loipenkönig, Nachbarskinder bauen einen Schneemann und ich für die Nacht ein Iglu. Und an der Straße werden die Nachbarn stehen, geifernd und krakeelend, mit Salzsäcken bewaffnet, falls eine Flocke  – durch einen plötzlichen Windwirbel aufgescheucht – mein Grundstück verlässt. Die Gemeinde wird einen Streuwagen schicken und das umliegende Gelände vorsorglich abstreuen und ich habe einen Traum: Das osteuropäische Winterhoch zeigt der Warmfront aus Westen die kalte Schulter und mein Winter-Wunderland wird viele Tage zur Heimat zahlloser glücklicher Flocken. Ich werde mir ein Schneedepot anlegen und eine große Plane kaufen.

Ich werde Snowfarming betreiben, richtig professionell.

Wenn mein Schnee und ich das Weihnachtstauwetter überstehen, wenn meine Nachbarn mir kein Salz über den Zaun werfen, wenn die ein oder andere natürliche Flocke noch ihren Weg in mein Schneeflockenflüchtlingslager findet und die kommenden Jahreszeiten schön kühl und sonnenarm bleiben, dann könnte ich mein Winterland sogar in den nächsten Winter hinüberretten, dann könnte auf meiner Wiese hinter dem Haus sogar ein kleiner Gletscher entstehen, mit gefährlichen Gletscherspalten.

In meinem Garten 21/22

Dann könnten die auf Schalke

ihren Schnee für ihren nächsten Biathlon-Wettbewerb bei mir beziehen, dann hätte ich endlich Winter im Rheinland. Hoffentlich trocknet mein Bach nicht aus und hoffentlich werd ich nicht schneeblind und hoffentlich wirft die Gemeinde kein Salz aus der Luft ab – aber da hab ich ja meine Plane.

Ich - Mikka Ich war schon immer eher Läufer und nicht Rädchen-Fahrer. Wir wohnten am Hang, ein unbefestigter Feldweg führte zu unserem Haus. Wir haben unsere Räder immer mehr geschoben als gefahren. Später verdiente ich mein Geld als Bademeister und Fensterputzer, da war ich auch viel zu Fuß unterwegs, ja und dann habe ich mit dem Marathon laufen angefangen. Und mit dem Bergwandern, ich war auch Reiseleiter im Himalaya. Als das Heruntergehen meinen Knien nicht mehr gefiel, hab ich das Paragleiten gelernt. Soviel zu meiner Sportkarriere. Beruflich lief es auch nicht so glatt. Als Junge wollte ich die Wetterstation auf der Zugspitze übernehmen. Es hat dann nur zum Wetterfrosch ohne Ausbildung gereicht. Lehrer konnte ich auch nicht werden, da hatte ich zwar eine Ausbildung, aber das Land NRW keine Jobs. Also wurde ich eben Reiseleiter, Reisereferent, Reiseverkäufer, Reiseredakteur und Reisejournalist. Ich bin ein bisschen herumgekommen. Habe Reisefilme gedreht, Reiseartikel und zwei Reisebücher geschrieben. Ich habe vor und hinter der Kamera gestanden, den Mount Everest fast bestiegen und die Sahara quasi durchquert. Ich bin viele Berge hochgelaufen und heruntergeflogen und ich bin seit 65 Jahren Gladbach Fan. Ich wurde in Mönchengladbach geboren.

Comments (4)

  1. Komm einfach nach Hibi Mikka?, wir haben pures Weiß und müssen uns auch keine Sirgen machen, um Salzstreuer und sonstige Schneegegner?

  2. Fand immer schon: Winter ist keine Jahreszeit, sondern eine Aufgabe. Aber wenn die Schneekanone läuft, komm ich gucken.

  3. Cooler Text. Und tolle Fotos!

  4. Cooler Text.

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