Indien pur mit Dieter Nuhr – 2 –

Tag 7 –

Dieter Nuhr Folge 2 / Der 7. Morgen unserer Reise wurde von einem absoluten Highlight bestimmt: der zweistündigen Auffahrt zum Khardung La, einem der höchsten Straßenpässe der Welt – mehr als 5300 Meter über dem Meeresspiegel.

Am Khardung Pass in Ladakh
Hier in Ladakh auf 5300 M.ü.d.M. eine Straße und ein bisschen Schnee

Vor sechs Jahren war ich das letzte Mal in exakt dieser Höhe (Mount Everest Basislager). Damals waren wir vier Wochen unterwegs, zu Fuß – inclusive Marathonlauf.

Mt. Everest Marathon
Und dort am Mt. Everest Basislager auf gleicher Höhe Gletscher und Moränen

Wir haben jetzt da oben ein paar Mal schnell geatmet, ganz kurz einigen Indern mit Bommelmütze beim Spielen im Schnee zugeschaut, die Kameras und Handys einmal gezückt und waren wieder weg. Nach unten, wo die Luft dicker wird und keine Inder die Straße blockieren können. Inder können Schlangen beschwören, Computer programmieren und Kricket spielen, aber sie können nicht auf Schnee Auto fahren. Alsbald lag das bis in die Neunzigerjahre für Besucher verschlossene Nubra Valley – das Tal der Blumen – vor uns. Die Flüsse Shiyok und Nubra durchfließen die breite Talebene, die nach Norden bis zum Siachen Gletscher führt.

Piste in Ladakh
LKW Piste am Shiyok River

Auf dem bewerfen sich schwer bewaffnete Inder und Pakistanis nicht nur mit Schnee. Immer wieder wird hier scharf geschossen. Riesige Armeelager im gesamten Ladakh untermauern den Eindruck, dass die Hochgebirgslandschaften um den unklaren Grenzverlauf zwischen beiden Atomnationen zu den brisantesten Regionen unserer Welt zählen.

Dieser Umstand war uns bekannt. Völlig unbekannt war uns, dass sich auf über 3000 Metern Meereshöhe inzwischen auch gemeine und fiese Stechmücken heimisch fühlen. Wer es nicht glaubt, kann vorbeikommen. Die Stiche sind noch sichtbar. Zum Abend dann noch ein obligatorischer Klosterbesuch mit großartigen Aus- und Einblicken,

Diskit / Ladakh / Indien
Kloster Diskit am Berghang

im kleinen Dorf Diskit dieses Mal, und dann wartete erneut ein tolles, indisches Abendmahl auf uns. Tashi hatte irgendwo Kingfisher Bier aufgetrieben, sogar gut gekühlt, aber auch gut geschüttelt. Entsprechend schaumig schön war der Genuss.

Tag 8

Dieter und Tashi blieben auch an diesem Tag ein eingespieltes Team, unzertrennlich von früh bis spät. Tashi lernte viel, wunderte sich aber mitunter über Motive, die Dieter toll fand. Er fand sie so mitteltoll.

Frisch im Schaufenster

Egal, am Ende der Reise stand er kurz davor, Dieter arbeitslos zu machen. Eine gute Entwicklung, weil er vor Ort lebt und Dieters Anreise sowieso zu lang, zu aufwendig und zu klimaschädlich ist.

Tashi mit Arbeitsgerät in seiner Heimat

Den Tag ließen wir insgesamt etwas ruhiger angehen. Highlights waren die Samtanling Gompa auf der anderen Talseite, nahe am Nubra River, eine Imbissbude in der Steinwüste

Mittags war hier gut Betrieb

und Kamele ohne Ende. Die standen oder lagen am Rande von ein paar kleine Dünen am Shiyok River in der Gegend herum und warten auf Kundschaft, die sie ein bisschen durchschaukeln konnten.

Kamel hat Langeweile

Warum? Weil einer der erfolgreichsten Bollywood Filme (2009) mit dem Titel 3 idiots teilweise in Ladakh spielt und diese Region seitdem in der Sommersaison von Tiefland-Indern, die der Hitze entfliehen möchten, geflutet wird. Wir haben die Inder und die Kamele ein bisschen angeschaut und sind dann zu unserem Camp zurückgefahren. Das Bier war kalt und weniger geschüttelt.

Am Wegesrand

Tag 9

Unsere nächste Station hieß Pangong Lake und lag über 4000 Meter hoch. Ich drängte auf frühe Abfahrt, weil entlang der Strecke steile Geröllpassagen bei über Mittag aufkommendem starkem Talwind die Neigung verspüren sich talwärts zu bewegen. Dabei zertrümmern sie gerne Autos und verschütten Straßen. Wir kamen gut voran, trotz einiger wild gewordener indischer Pickup-Fahrer, die 3 idiots zu oft gesehen hatten. Am Mittag hatten wir die kritischen Streckenpassagen unbeschadet hinter uns gelassen und kamen in eine einsame Hochregion mit wilden Eseln und auch braunen Bären? Unser Campmanager aus Leh, der auch so ein bisschen den Großwildjäger mimte, hatte mir auf seinem Handy selbst geschossene Bilder von großen braunen Wesen gezeigt und was von Bären gemurmelt.

Murmeltiere waren es dann, die wir zu Gesicht bekamen.

„Leicht zu verwechseln mit einem Bären“

Süße kleine Murmeltiere, also quasi Braunbären. Am Pangong Lake war eigens für uns ein Zeltlager errichtet worden mit dicken Decken und Wärmflaschen, denn die Temperatur sackte nachts in den Minusbereich.

Unser Camp am Pangong Lake in der Morgensonne

Unsere Höhenanpassung war mittlerweile so weit fortgeschritten, dass nicht mehr jeder schnelle Schritt fast einen Atemstillstand auslöste. Es gab hier oben so viele schöne Gipfel, bis nach China hinein. Wir hätten sie jetzt allesamt besteigen können.

Pangong Lake Ladakh / Indien
Durchatmen am Pangong Lake (4225 m)

Leider ist Dieter keine ausgewiesener Wanderfreund, schon gar kein Bergsteiger. Er hatte auch nicht das richtige Schuhzeug mit, also war an ein Überreden auch gar nicht zu denken. Zudem wären dann unsere beiden Fahrer, Haroon und Bala,

Könige der Indischen Landstraßen: Haroon und Bala

arbeitslos geworden. Sie waren uns richtig ans Herz gewachsen und das wäre dann gebrochen.

Tag 10

Also chauffierten sie uns weiter durch traumhafte Hochgebirgslandschaften mit einem letzten großen Höhepunkt, dem Chang Pass auf knapp 5400 Metern Meereshöhe.

Changla Pass Indien
Chang Pass

Ich stand da oben kurz vor der Schneeblindheit, so grell war das Sonnenlicht über den gleißenden Schneeflächen. In zwei Tagen warteten weit über 40 Grad Hitze im Moloch New Delhi auf uns, ich wäre noch gerne länger hier auf dem Dach der Welt geblieben, aber der aufrechte Gang wurde schon wieder so schwankend. Nach einer rasanten Abfahrt hinunter zum Indus konnten wir endlich wieder unseren Nachholbedarf in Sachen Klosterbesuch stillen. Am Wegesrand lag das beschauliche Kloster Chemre.

Kloster Chemre in Ladakh
Großartige Klosterburg in großartiger Landschaft

Am Eingang eines engen Hochtals dann das große Kloster Hemis mit seinem imposanten Innenhof. Am Abend waren wir wieder in unserem Zeltlager am Indus, zu Füßen des Kosters Thiksey. Die Dusche tat gut und als sie heiß wurde tat sie noch besser. Unser letzter Biervorrat war durch die lange Fahrt auch wieder auf bestem Temperatur- und Schaumniveau, der Abend konnte kommen. Da sagte doch der Oberkellner zu uns:

Kein Alkohol im Essenszelt, sorry!

Kingfisher Bier / Indien
Dieses herrliche Dosenbier sollten wir umkommen lassen

Unsere Einwände, die Mönche würden doch mitunter in ihren Klöstern auch ganz schön bechern und im Nubra Valley hätte es mit warmem Bier auch kein Problem im Essenszelt gegeben und die gerade laufende größten demokratischen Wahl der Welt zum neuen indischen Premierminister würden wir auch auf gar keinen Fall stören, zeitigten keine Wirkung. Er meinte, wir könnten doch in unseren Wohnzelten Bier trinken. Allein, im Bett, ein warmes und schaumiges Bier am Hals? Grausige Vorstellung! Kurzum, wir haben uns geweigert, seinem Ansinnen nachzukommen. Er wollte keinen Ärger, wir wollten keinen Ärger, und plötzlich gab es da eine Drinkers Lounge in einem separaten Zelt. Da wurde blitzschnell ein Esstisch aufgestellt und wenig später hieß es Prost und guten Appetit zu einem weiteren wunderbaren indischen Abendmahl.

Tag 11

Das eher kleine Kloster Stakna überraschte uns am letzten Tag unserer gemeinsamen Reise über das Dach der Welt mit einer Gebetsstunde der besonders eindrücklichen Art. Der junge Rinpoche hatte Geburtstag

Rinpoche von Stakna
Der Rinpoche von Stakna bei der Andacht

und leitete eine ganz wunderbare Zeremonie, an der wir ein wenig teilhaben durften. Nur festlich gewandete Einheimische und natürlich die etwa 30 Mönche des Klosters waren zugegen und verbreiteten mit ihrem religiösen Tun absolute Gänsehaut-Atmosphäre.

Dieter Nuhr im Kloster Stakna in Ladakh/Indien
Jutta und Dieter im Kloster Stakna

Sehr eindrücklich für uns, wir zogen dankbar von dannen. In der Abenddämmerung trafen Dieter und ich wie zufällig in der Steinwüste vor unseren Zelten aufeinander. Er wollte mir ein Geschenk machen, das ich aber nicht annehmen konnte und er auf gar keinen Fall zurückhaben wollte. Da haben wir es in stiller Übereinkunft gemeinsam unter Felsblöcken vergraben.

Tag 12

Der frühe Rückflug am nächsten Morgen von Leh nach New Delhi machte nochmals deutlich, was das höchste Gebirge der Welt für eine eiskalte Schönheit ist – für uns unerreichbar.

Flug über den indischen Himalaya
Der indische Himalaya von oben

Wir wurden kaum 90 Minuten später ins 46 Grad heiße New Delhi gestoßen. Mona und Pierre zog es weiter nach Kathmandu, da galt es Buddhas Geburtstag an der Stupa von Bodnath zu feiern. Und Jutta, Dieter und ich gönnten uns bei 46 Grad einen Altstadtbummel, frisches und heißes Brot aus dem Tandoori Ofen und ein paar Flaschen Wasser. Im Hotel gab es für mich dann noch eine dicke Portion Schwelgen in Erinnerungen, denn genau in diesem Hotel hatte ich mir mit meinem Freund Kiki vor exakt 50 Jahren eine Schwimmbadkarte für den Palmen umsäumten Außenpool gekauft, für umgerechnet 3 Cent. Das Übernachten in dieser Herberge hätte innerhalb ganz weniger Tage das gesamte Reisebudget unserer halbjährigen Überlandtour verschlungen.

Im Kwality Restaurant

am Connaught Circus standen anschließend ein letztes Tandoori Chicken und Druk Bier aus Bhutan auf dem Programm. Wir hätten gerne draußen gesessen, aber da waren es noch 39 Grad. Drinnen gefühlte 40 Grad kälter. Da kam die Hitze, die das indische Essen im Körperinneren aufwallen ließ, gerade richtig. Auf dem Weg in die Heimat dann ein letztes Staunen in New Delhi. Während der Flughafen fantastisch organisiert und hypermodern daherkommt, wurde unsere Air India Maschine mit ziemlich viel Gaffa-Tape zusammengehalten. Und klapperte trotzdem ganz jämmerlich. Zumindest, als ich einschlief und kurz vor Frankfurt wieder erwachte.

Hier der Link zur 1. Folge

Indien pur mit Dieter Nuhr

Und der Link zu Dieters Seite

https://nuhr.de/

Kloster Stakna / Ladakh
Kleine Rast im Kloster Stakna

Ich - Mikka Ich war schon immer eher Läufer und nicht Rädchen-Fahrer. Wir wohnten am Hang, ein unbefestigter Feldweg führte zu unserem Haus. Wir haben unsere Räder immer mehr geschoben als gefahren. Später verdiente ich mein Geld als Bademeister und Fensterputzer, da war ich auch viel zu Fuß unterwegs, ja und dann habe ich mit dem Marathon laufen angefangen. Und mit dem Bergwandern, ich war auch Reiseleiter im Himalaya. Als das Heruntergehen meinen Knien nicht mehr gefiel, hab ich das Paragleiten gelernt. Soviel zu meiner Sportkarriere. Beruflich lief es auch nicht so glatt. Als Junge wollte ich die Wetterstation auf der Zugspitze übernehmen. Es hat dann nur zum Wetterfrosch ohne Ausbildung gereicht. Lehrer konnte ich auch nicht werden, da hatte ich zwar eine Ausbildung, aber das Land NRW keine Jobs. Also wurde ich eben Reiseleiter, Reisereferent, Reiseverkäufer, Reiseredakteur und Reisejournalist. Ich bin ein bisschen herumgekommen. Habe Reisefilme gedreht, Reiseartikel und zwei Reisebücher geschrieben. Ich habe vor und hinter der Kamera gestanden, den Mount Everest fast bestiegen und die Sahara quasi durchquert. Ich bin viele Berge hochgelaufen und heruntergeflogen und ich bin seit 65 Jahren Gladbach Fan. Ich wurde in Mönchengladbach geboren.

Comment (1)

  1. Wunderbarer Bericht! Mikka, Du hast einen Gesichtsausdruck – heiliger als der Papst, ergreifend.

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