Ich bin mir sehr sicher, dass ich dort, wo in Ägypten die Arabischen Wüste zum Roten Meer hin abfällt, über viele Jahre der einzige Tütenflieger (Paragleiter) war. Ich hatte seinerzeit beim Scheich, der die Wasserrechte von El Gouna besaß, viel süßen Tee getrunken und ihm erzählt, dass ich gerne über seiner Oase mal ein paar Kreise ziehen würde. Mein Wunsch wurde ihm von einem seiner Söhne ins Arabische übersetzt. Pure Neugier veranlasste ihn, mir eine Starterlaubnis auf dem Felsplateau über seinem Anwesen zu erteilen. Wobei er anfänglich gar nicht glauben konnte, dass ein Nicht-Wüstensohn die steile Schotterrinne hinauf auf die Höhe überhaupt bewältigen könnte.
Ich konnte und stand 35 Minuten später im heißen Wüstenwind, mit Blick aufs Rote Meer. Ich bin dann eine gute Stunde im laminaren Aufwind über dem Scheich, der er sich in seinem Innenhof bei Wasserpfeife und Kaffee in seinem alten Lehnstuhl gemütlich gemacht hatte, durch die Luft gesegelt. Mal 100 Meter über ihm, mal knapp 600, je nachdem wie der Wind geblasen hat. Wir winkten uns zu und hatten beide großen Spaß.
Zwanzig Jahre und viele einsame und schöne Flüge später stand ich vor 14 Tagen wieder in der Oase.
Der Scheich sei bei Allah erzählte mir sein Enkel und wenn ich hier nochmal fliegen würde, könnte ich auch schnell bei Allah landen. Der Enkel war nett, er wollte mich nur warnen. Unser Militär kann nämlich gut schießen, meinte er verstärkend.
Die Geschichte
Dann verabredeten wir uns zum Tee und ich stieg in die Felsrinne, in der ich mittlerweile jeden Stein kenne. Oben zeigte mein Windmesser mit 20 km/h den perfekten Wind an.
Eine halbe Stunde habe ich in die Gegend geschaut, den Wind kontrolliert, auch kurz über bei Allah landen nachgedacht und dann einen perfekten Start hingelegt. Bei den messerscharfen Felsen, mit denen ich früher schon mal ganz miese Erfahrungen gemacht hatte, muss das Fluggerät schnell und ohne weitere Bodenberührung in die Luft und dann heißt es: gegen den Wind den Schirm sauber in der Luft bis an die Felskante bringen und mit einem Impulsschritt nach vorne und einem leichten Anbremsen des Schirms in die Luft kommen. Nach der Arbeit kam das Spiel. Im steten Aufwind ging es an der Felskante ein paar Kilometer nach Süden, dann mit einer schnellen Wendung wieder nach Norden, immer nahe am Felsen, um nicht aus dem Aufwindband herauszufallen.
Der Neffe schaute mir von unten zu und nicht nur der Neffe. Es war ein herrliches Fliegen im 30 Grad warmen Wüstenwind, nur hin und wieder kam eine Wüstendohle vorbeigesegelt. Nach gut einer Stunde kam zum Vergnügen ein wenig Kampf hinzu.
Der Wind wurde schwächer und ich musste jeden stärkeren Luftzug ganz nah am Felsen nutzen, um weiter in der Luft zu bleiben. Nach 90 Minuten ließ der Wind mich ganz im Stich und die heiße Wüste hieß mich wieder willkommen. Zusammen mit ein paar Wüstensöhnen, die mir schon 30 Minuten lang auf ihren Quads unten am Boden gefolgt waren.
Das Nachwort
Kaum gelandet und das Palaver ging los, auf Arabisch. Als erstes wollten sie meine GoPro konfiszieren, aber ich hatte keine GoPro. Dann wollten sie mir Handschellen anlegen, aber sie hatten keine Handschellen. Oder mich vielleicht auch erschießen, aber Schusswaffen waren auch rar. Dann haben sie mich mit Habibi (Liebling) angesprochen und mir gesagt: not allowed – army land here – big danger – for you!
Im Klartext. Vier halbgare Armeevertreter oder Vertreter von Armeevertretern hatten von ihren Armee-Vorgesetzten den klaren Auftrag, Touristen mit seltsamen Hobbies aus ihrer Wüste fernzuhalten bzw. zu entfernen. Natürlich sollte auch jegliches Filmmaterial konfisziert werden. Das völlig hektische Gelaber wurde mir bruchstückhaft vom sprachbegabtesten Armeevertreter ins Englische übersetzt. Bei mir ging es da rein und da wieder raus. Es war ja ziemlich offensichtlich, dass meine ägyptische Flugshow hier vor Ort als unerwünschtes Eindringen in feindlichen Luftraum gewertet wurde.
Ich packte unter dem einzigen kleinen Baum in der Region in aller Ruhe meinen Schirm zusammen, pflückte jedes Sandkorn aus meinem Fluggerät, sortierte die Leinen mit siebenfachem Sicherheitscheck, während die Jungs in der Sonne abhangen. Zwischendurch ließ ich über den Dolmetscher anfragen, warum sie mir denn überhaupt den letzten Flug haben durchgehen lassen. Die Antwort war ehrlich: Du bist so schnell in der Felsrinne hochgestiegen, Habibi. Da wären wir nicht hinterhergekommen.
Aufgabe
Ich habe mich dann unter meinen Baum gesetzt und noch sehr langsam eine mitgebrachte Wasserflasche ausgetrunken. Dann fiel mir keine weitere Verzögerungstaktik mehr ein und ich ergab mich. Im Gänsemarsch wurde ich von meinem Landeplatz in die Oase zu meinem „Enkel“ geführt. Der bereitete auf dem offenen Feuer wunderbaren heißen und süßen Tee für mich und wollte minütlich eine Zigarette mit mir rauchen. Ihm war der Aufmarsch der Armee-Vertreter auf seinem Grund und Boden ganz offensichtlich peinlich. Zur Armee-Hauptzentrale liefen jetzt die Drähte heiß. Ihre Vertreter wollten von ihren Vorgesetzten wissen, wie mit mir umzugehen sei. Ich gab noch beiläufig zu Protokoll, dass ich 69 Jahre alt bin, mich um Ruhestand befinde und über ein gültiges Flugdiplom verfüge. Beweisfotos von meinen vorgelegten Dokumenten wurden geschossen und umgehend an den verantwortlichen General oder sogar Generaloberst weitergeleitet. Warten und Tee trinken im Habibi Land waren angesagt. Der Neffe erklärte und übersetzte mir auf Befehl, dass der Luftraum über der Oase der Armee gehöre und da sei ich widerrechtlich eingedrungen. Und die Armee-Vertreter meinten: das sei ja alles for my own safety.
Was soviel heißt wie:
du gehst uns auf den Keks, du störst unsere Siesta, du machst dich jetzt mal schön von unserem Acker!
Zur Wahrheit gehört aber auch:
Die Ägypter sind generell unglaubliche Sicherheitsfanatiker. Sie bewachen alles, was die Bedeutung eines Kamel-Scheißhaufens übersteigt, also zum Beispiel auch Duschkabinen, Brachlandschaften, Fußwege etc.
Mir wurde von Lifeguards am Strand auch schon das Schwimmen im Meer for you own safety verboten. Nicht weil der Wellengang etwa zu hoch gewesen wäre oder gerade Shark-Alarm war. Nein, weil der Lifeguard nicht schwimmen konnte und mich im tiefen Wasser nicht hätte retten können.
Als mein Sodbrennen wegen der Unmengen an süßem Tee die Schmerzgrenze erreicht hatte, drängte ich auf eine Entscheidung in der Wüste. Zumal inzwischen auch alle Handyakkus leer waren und die Kommunikation nach draußen eingeschlafen war. Und überhaupt: so wie ich den Wegelagerern auf den Keks ging, hatte auch ich allmählich die Nase voll vom Habibi-Gelaber. Sie hatten mich weichgekocht. Ich war bereit, meine Flugaktivitäten in Ägypten einzustellen, ich habe dies auch später im Hotel schriftlich niedergelegt. Und ab dann nur noch sehnsüchtig auf meinen Flugberg in der Ferne geschaut.
Habibi = Kosename unter Männern
Habibo = Kosename unter engen Freunden, Zusammensetzung von Habibi und Bro (haben sie zu mir leider nie gesagt).
Die Vorgeschichte
Ich bin mir sehr sicher, dass ich dort, wo in Ägypten die Arabischen Wüste zum Roten Meer hin abfällt, über viele Jahre der einzige Tütenflieger (Paragleiter) war. Ich hatte seinerzeit beim Scheich, der die Wasserrechte von El Gouna besaß, viel süßen Tee getrunken und ihm erzählt, dass ich gerne über seiner Oase mal ein paar Kreise ziehen würde. Mein Wunsch wurde ihm von einem seiner Söhne ins Arabische übersetzt. Pure Neugier veranlasste ihn, mir eine Starterlaubnis auf dem Felsplateau über seinem Anwesen zu erteilen. Wobei er anfänglich gar nicht glauben konnte, dass ein Nicht-Wüstensohn die steile Schotterrinne hinauf auf die Höhe überhaupt bewältigen könnte.
Ich konnte und stand 35 Minuten später im heißen Wüstenwind, mit Blick aufs Rote Meer. Ich bin dann eine gute Stunde im laminaren Aufwind über dem Scheich, der er sich in seinem Innenhof bei Wasserpfeife und Kaffee in seinem alten Lehnstuhl gemütlich gemacht hatte, durch die Luft gesegelt. Mal 100 Meter über ihm, mal knapp 600, je nachdem wie der Wind geblasen hat. Wir winkten uns zu und hatten beide großen Spaß.
Zwanzig Jahre und viele einsame und schöne Flüge später stand ich vor 14 Tagen wieder in der Oase.
Der Scheich sei bei Allah erzählte mir sein Enkel und wenn ich hier nochmal fliegen würde, könnte ich auch schnell bei Allah landen. Der Enkel war nett, er wollte mich nur warnen. Unser Militär kann nämlich gut schießen, meinte er verstärkend.
Die Geschichte
Dann verabredeten wir uns zum Tee und ich stieg in die Felsrinne, in der ich mittlerweile jeden Stein kenne. Oben zeigte mein Windmesser mit 20 km/h den perfekten Wind an.
Eine halbe Stunde habe ich in die Gegend geschaut, den Wind kontrolliert, auch kurz über bei Allah landen nachgedacht und dann einen perfekten Start hingelegt. Bei den messerscharfen Felsen, mit denen ich früher schon mal ganz miese Erfahrungen gemacht hatte, muss das Fluggerät schnell und ohne weitere Bodenberührung in die Luft und dann heißt es: gegen den Wind den Schirm sauber in der Luft bis an die Felskante bringen und mit einem Impulsschritt nach vorne und einem leichten Anbremsen des Schirms in die Luft kommen. Nach der Arbeit kam das Spiel. Im steten Aufwind ging es an der Felskante ein paar Kilometer nach Süden, dann mit einer schnellen Wendung wieder nach Norden, immer nahe am Felsen, um nicht aus dem Aufwindband herauszufallen.
Der Neffe schaute mir von unten zu und nicht nur der Neffe. Es war ein herrliches Fliegen im 30 Grad warmen Wüstenwind, nur hin und wieder kam eine Wüstendohle vorbeigesegelt. Nach gut einer Stunde kam zum Vergnügen ein wenig Kampf hinzu.
Der Wind wurde schwächer und ich musste jeden stärkeren Luftzug ganz nah am Felsen nutzen, um weiter in der Luft zu bleiben. Nach 90 Minuten ließ der Wind mich ganz im Stich und die heiße Wüste hieß mich wieder willkommen. Zusammen mit ein paar Wüstensöhnen, die mir schon 30 Minuten lang auf ihren Quads unten am Boden gefolgt waren.
Das Nachwort
Kaum gelandet und das Palaver ging los, auf Arabisch. Als erstes wollten sie meine GoPro konfiszieren, aber ich hatte keine GoPro. Dann wollten sie mir Handschellen anlegen, aber sie hatten keine Handschellen. Oder mich vielleicht auch erschießen, aber Schusswaffen waren auch rar. Dann haben sie mich mit Habibi (Liebling) angesprochen und mir gesagt: not allowed – army land here – big danger – for you!
Im Klartext. Vier halbgare Armeevertreter oder Vertreter von Armeevertretern hatten von ihren Armee-Vorgesetzten den klaren Auftrag, Touristen mit seltsamen Hobbies aus ihrer Wüste fernzuhalten bzw. zu entfernen. Natürlich sollte auch jegliches Filmmaterial konfisziert werden. Das völlig hektische Gelaber wurde mir bruchstückhaft vom sprachbegabtesten Armeevertreter ins Englische übersetzt. Bei mir ging es da rein und da wieder raus. Es war ja ziemlich offensichtlich, dass meine ägyptische Flugshow hier vor Ort als unerwünschtes Eindringen in feindlichen Luftraum gewertet wurde.
Ich packte unter dem einzigen kleinen Baum in der Region in aller Ruhe meinen Schirm zusammen, pflückte jedes Sandkorn aus meinem Fluggerät, sortierte die Leinen mit siebenfachem Sicherheitscheck, während die Jungs in der Sonne abhangen. Zwischendurch ließ ich über den Dolmetscher anfragen, warum sie mir denn überhaupt den letzten Flug haben durchgehen lassen. Die Antwort war ehrlich: Du bist so schnell in der Felsrinne hochgestiegen, Habibi. Da wären wir nicht hinterhergekommen.
Aufgabe
Ich habe mich dann unter meinen Baum gesetzt und noch sehr langsam eine mitgebrachte Wasserflasche ausgetrunken. Dann fiel mir keine weitere Verzögerungstaktik mehr ein und ich ergab mich. Im Gänsemarsch wurde ich von meinem Landeplatz in die Oase zu meinem „Enkel“ geführt. Der bereitete auf dem offenen Feuer wunderbaren heißen und süßen Tee für mich und wollte minütlich eine Zigarette mit mir rauchen. Ihm war der Aufmarsch der Armee-Vertreter auf seinem Grund und Boden ganz offensichtlich peinlich. Zur Armee-Hauptzentrale liefen jetzt die Drähte heiß. Ihre Vertreter wollten von ihren Vorgesetzten wissen, wie mit mir umzugehen sei. Ich gab noch beiläufig zu Protokoll, dass ich 69 Jahre alt bin, mich um Ruhestand befinde und über ein gültiges Flugdiplom verfüge. Beweisfotos von meinen vorgelegten Dokumenten wurden geschossen und umgehend an den verantwortlichen General oder sogar Generaloberst weitergeleitet. Warten und Tee trinken im Habibi Land waren angesagt. Der Neffe erklärte und übersetzte mir auf Befehl, dass der Luftraum über der Oase der Armee gehöre und da sei ich widerrechtlich eingedrungen. Und die Armee-Vertreter meinten: das sei ja alles for my own safety.
Was soviel heißt wie:
du gehst uns auf den Keks, du störst unsere Siesta, du machst dich jetzt mal schön von unserem Acker!
Zur Wahrheit gehört aber auch:
Die Ägypter sind generell unglaubliche Sicherheitsfanatiker. Sie bewachen alles, was die Bedeutung eines Kamel-Scheißhaufens übersteigt, also zum Beispiel auch Duschkabinen, Brachlandschaften, Fußwege etc.
Mir wurde von Lifeguards am Strand auch schon das Schwimmen im Meer for you own safety verboten. Nicht weil der Wellengang etwa zu hoch gewesen wäre oder gerade Shark-Alarm war. Nein, weil der Lifeguard nicht schwimmen konnte und mich im tiefen Wasser nicht hätte retten können.
Als mein Sodbrennen wegen der Unmengen an süßem Tee die Schmerzgrenze erreicht hatte, drängte ich auf eine Entscheidung in der Wüste. Zumal inzwischen auch alle Handyakkus leer waren und die Kommunikation nach draußen eingeschlafen war. Und überhaupt: so wie ich den Wegelagerern auf den Keks ging, hatte auch ich allmählich die Nase voll vom Habibi-Gelaber. Sie hatten mich weichgekocht. Ich war bereit, meine Flugaktivitäten in Ägypten einzustellen, ich habe dies auch später im Hotel schriftlich niedergelegt. Und ab dann nur noch sehnsüchtig auf meinen Flugberg in der Ferne geschaut.
Habibi = Kosename unter Männern
Habibo = Kosename unter engen Freunden, Zusammensetzung von Habibi und Bro (haben sie zu mir leider nie gesagt).
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El Gouna
Luxor
Wer in El Gouna sehr komfortabel Urlaub machen möchte, ist hier gut aufgehoben!
https://hotels.elgouna.com/hotel/steigenberger-golf-resort-el-gouna/
Comments (2)
Wunderbare Story, mit der du dir die Lufthoheit souverän zurück geholt hast
👍