Pulverschnee im Spätsommer

Endlich mal wieder auf einer einsamen Alm in den Bergen den Spätsommer genießen – das war mein lang gehegter Wunsch. Ja, ich habe in diesem Sommer schon viele Wochen in den Bergen verbracht, gerade erst war ich mit meiner Wandergruppe aus dem hochsommerlichen Pinzgau zurückgekehrt. Aber jetzt das Kontrastprogramm: zwei Wochen auf einer Selbstversorger-Alm.

Die Bodenalm

wacht in knapp 2000 Metern Meereshöhe auf der sonnigen Südseite über das hintere Virgental in Osttirol.

Bodenalm am Venediger Höhenweg
Die Bodenalm bei der Ankunft – auf knapp 2000 Metern Höhe

Ich hatte am frühen Samstagmorgen meinen Bruder Andreas im Taunus eingesammelt. Zusammen gings via Nürnberg und München Richtung Kitzbühel, das ich erst 1 Woche zuvor in entgegengesetzter Richtung verlassen hatte. Eine Stunde später übergab mir Ingrid im kleinen Wallhorn, oberhalb von Prägraten, den Schlüssel für die Wegschranke und die Hüttentür der Bodenalm. 600 Höhenmeter und 13 Serpentinen später lachte uns die Hütte an. Mein Freund Klaus mit seiner Frau Ami waren schon vor Ort. Unser Almrausch konnte starten.

Blick von der Alm Richtung Timmeltal

Fürs erste Abendessen sind wir noch ins Tal gefahren, dann haben wir die Hütte endgültig zu unserem Lebensmittelpunkt erklärt. Bratkartoffeln auf dem Holzofen, Skat am Küchentisch, Wandern zum Eissee, Gelber Enzian in der Kehle, Schauen in die Berge, Schlafen in Holzstuben, Kuhglocken in den Ohren….

Es war schön und es war unfassbar ruhig (ohne Kuhglocken).

Die Tage gingen ins Land. Immer nur mit zwei Fragen am Morgen: Was brutzeln wir am Abend und wo wandern wir nach dem Frühstück hin?

Eissee im Großvenediger Gebiet
Andreas am sommerlichen Eissee

Auf beiden Fragen gab es allseits zufriedenstellende Antworten. Abends war das anders. Warum kann man bei einem schönen Karo Farbenspiel mit drei Buben nur 18 reizen, ohne jeden Buben aber 45 – das waren Fragen, auf die wir Ami keine passende Antwort geben konnten. Natürlich wirkte unsere lapidare Antwort ist halt so eher verstörend auf sie. Am Mittwoch war Wander-Ruhetag  und ich nutzte die natürliche Startbahn hinter der Hütte zu einem Motorflug mit grandiosen Aussichten.

So einen nahen Startplatz hatte ich noch nie

Es folgte Wellness auf der Alm.

Höhenluft strengt an

Und am Abend der besorgte Blick auf die wetteronline Seite. Fluchtgedanken erreichten unsere Köpfe. Andreas verließ als erster am Donnerstag das sinkende Schiff. Wir brachten ihn im strömenden Regen ins Tal und sahen, dass die Regentropfen die starke Tendenz zeigten sich in Schneeflocken zu verwandeln. Bei der Auffahrt auf den Berg wurden die grünen Almen weiß und Ami und Klaus sahen ebenfalls keine Zukunft mehr am Berg.

Mensch und Kuh drängten ins Tal

Im Schritttempo brachten wir ihr Auto mit Sommerreifen ins Tal und stapften anschließend in zwei Stunden wieder hinauf auf die Bodenalm. Aus dem Sommer war ein Tiefwinter geworden. Am Morgen wanderten wir ins Tal

Wo ist der Sommer geblieben

und Ami und Klaus fuhren von dort zum Schwimmen ans Mittelmeer. Ich blieb zurück, mit Schneesturm und Schneewehen.

40 Zentimeter lagen an der Hütte im Weg

Ich habe Schnee geschaufelt und gelesen und wieder Schnee geschaufelt und gelesen.

Und in den Schnee geschaut, alles ganz allein.

Aber gemütlich war es schon!

Am Samstag kam Freund Hans aus Wormersdorf mit dem Bus. Ich hatte den Kampf gegen den Schnee noch nicht gewonnen, also wieder zu Fuß ins Tal. Da haben wir uns im Venediger Restaurant bei Gottfried ordentlich gestärkt und sind in der Dämmerung wieder auf den Berg. 13 Serpentinen, wie ich sie lieben gelernt habe! Am Sonntag wollten wir eine Erkundungstour ins Timmeltal unternehmen. Aber da fegte bei fast wolkenlosem Himmel ein ätzender Eissturm und Lawinen und Schneewehen lagen im Weg.

Hans fühlt sich im Sommer wohler

Die Murmeltiere hatten ihr Pfeifen eingestellt, pfeifen tat nur der Wind.

Weiter unten am Berg haben wir dann doch einen Weg durch den Schnee zu einer Hütte gefunden und saßen in der warmen Sonne – Jahreszeitenwechsel in 60 Minuten. Der Schnee zerfloss, unsere Tage waren gerettet. Als Alex am Sonntag unser Dreiergespann komplett machte, hatte sich der Winter in die baumlosen Höhen zurückgezogen.

Virgental im Spätsommer 24
Im Tal war wieder an Spätsommer zu denken

Da allerdings lauerte er in den nächsten Tagen weiter auf uns. Auf dem Weg zum Eissee, wo wir wenige Tage zuvor noch Edelweiß gezählt hatten, kämpften wir uns jetzt durch Schneemassen.

Hans im Schnee

An der Bonn Matreier Hütte schlugen uns Nebel und Schneefall in die Flucht und auf dem Venediger Höhenweg zur Sayathütte war der Steig durch die steilen Felsrinnen mit knüppelhartem, gefährlichem Lawinenschnee verstopft.

Alex am winterlichen Eissee

Als Alex dann beim abendlichen Skatspiel gar nicht erst bis zum Reizen kam und wir ihm eine angeborene universelle Kartenspielschwäche attestieren konnten, da war mir klar: Diese Sommerzeit auf der Alm war anders als gedacht verlaufen. 

Aber irgendwie auch schön anders.

Achtung Nebelwand von unten

Hier der Link zur Bodenalm:

https://www.virgental.at/unterkuenfte/unterkunft-suche/detail/unterkunft/bodenalm-1960-m/

Interessiert an einem weiteren Eintrag über das Virgental?

Venediger Höhenweg 1

P.S.

Wie gefährlich die Begehung der Höhenwege in diesen Tagen sein kann, zeigt der aktuelle Artikel über einen Bergunfall an der Sayathütte vom Dienstag dieser Woche.

https://www.weekend.at/bundesland/tirol/alpinunfall-frau-schwer-verletzt-grossvenediger

Ich - Mikka Ich war schon immer eher Läufer und nicht Rädchen-Fahrer. Wir wohnten am Hang, ein unbefestigter Feldweg führte zu unserem Haus. Wir haben unsere Räder immer mehr geschoben als gefahren. Später verdiente ich mein Geld als Bademeister und Fensterputzer, da war ich auch viel zu Fuß unterwegs, ja und dann habe ich mit dem Marathon laufen angefangen. Und mit dem Bergwandern, ich war auch Reiseleiter im Himalaya. Als das Heruntergehen meinen Knien nicht mehr gefiel, hab ich das Paragleiten gelernt. Soviel zu meiner Sportkarriere. Beruflich lief es auch nicht so glatt. Als Junge wollte ich die Wetterstation auf der Zugspitze übernehmen. Es hat dann nur zum Wetterfrosch ohne Ausbildung gereicht. Lehrer konnte ich auch nicht werden, da hatte ich zwar eine Ausbildung, aber das Land NRW keine Jobs. Also wurde ich eben Reiseleiter, Reisereferent, Reiseverkäufer, Reiseredakteur und Reisejournalist. Ich bin ein bisschen herumgekommen. Habe Reisefilme gedreht, Reiseartikel und zwei Reisebücher geschrieben. Ich habe vor und hinter der Kamera gestanden, den Mount Everest fast bestiegen und die Sahara quasi durchquert. Ich bin viele Berge hochgelaufen und heruntergeflogen und ich bin seit 65 Jahren Gladbach Fan. Ich wurde in Mönchengladbach geboren.

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