Mumbai – Maximum City am Arabischen Meer

Mumbai (Bombay) – war 10 Tage lang unser Arbeitsplatz.

Faszinierend, verstörend, atemberaubend, anstrengend!

Ich hatte 15.000 Euro, einen Sohn, eine Videokamera, einen sehr groben Plan und ein klares Ziel: Mumbai-Maximum City und Heimat von 30 Millionen Menschen. Eine Freundin hatte uns eingeladen, bei ihr 12 Tage unterzukommen. Ihr Fahrer holte uns morgens am Flughafen ab. Der Wagen war klimatisiert, auch der Fahrer wie das Wageninnere, eher kühl. Unsere Freundin war bei der Arbeit, ihre Hausangestellte, Lakshmi, machte uns Chai, milchig, klebrig-süß, lecker.

Welcome in Mumbai-Maximum City

Wir strotzten vor Tatendrang,

also baten wir unseren Fahrer uns zum Gate of India zu pilotieren. Wir wollten mit ein paar Beautyshots in unser Filmprojekt über Mumbai starten. Philipp packte die Kamera aus dem Rucksack und da stand er schon: der Mann in Uniform, ein adretter Sikh mit Turban und polierten Stiefeln.

„Not allowed, no picture !“

Ok, dachten wir: öffentlicher Platz, da wollen sie uns nicht. Also zogen wir zu Fuß und schwitzend weiter bis zum Marine Drive, um von dort einen schönen Panoramaschuss über Mumbai zu machen.

Mumbai Panorama

Philipp hat die Kamera noch gerade aus dem Rucksack bekommen, da stand er schon wieder da: der Mann in Uniform, ein anderer, aber mit verblüffend ähnlicher Ansage:

„Not allowed! No picture!

You have to come with me!“ Weitere Ansagen bleiben für uns unverständlich, weil wir des Hindi nicht mächtig sind. Wir haben unseren Fahrer gerufen, der ein paar Straßen weiter parkte und ihn gebeten für uns zu übersetzen. Die Folge: Wir folgten dem Polizisten ganz folgsam auf die nächste Wache. Hier saßen wir beim Deputy auf Plastikstühlen, bis wir zum Sheriff vorgelassen wurden. Dem erklärte ich, dass wir einen schönen Werbefilm für das deutsche Fernsehen machen wollten. Und dass wir auch gerne eine Drehgenehmigung vorweisen würden, aber die Beantragung derselben hätte mich mehrere Lebensjahre gekostet und einen nichtsnutzigen Liaison Officer, der uns mit Genehmigung hätte begleiten müssen, wollte ich nicht mit durchfüttern.

Das habe ich dem Sheriff natürlich nicht gesagt,

stattdessen gab ich ihm die Telefonnummer unserer Freundin, einer sehr resoluten und erfolgreichen Innenarchitektin. Ich weiß nicht, was sie dem Sheriff gesagt hat. Ich weiß nur, dass sie sehr laut und sehr schnell geredet hat, dass wir noch während des Telefonats einen Tee serviert bekamen und alsbald von dannen ziehen konnten. Mit einem Blatt Papier in der Tasche, auf dem stand, dass wir für Deutschland einen sehr schönen Film über Mumbai machen würden. Unterschrift und Stempel vom Sheriff der Marine Drive Police Station. Mittlerweile war die Dämmerung hereingebrochen, wir ließen uns nach Hause chauffieren und konstatierten:

1. Tag = 0 Sekunden Drehmaterial in Mumbai-Maximum City

Wir haben uns den Abend mit eiskaltem Kingfisher Bier schön getrunken und einen Schlachtplan für den nächsten Tag entworfen. Sheriff-Schreiben hin oder her, möglichst unterm Radar bleiben und dahin gehen, wo sich Männer in Uniform lieber rarmachen. In die Waschküche zum Beispiel. Im Fall von Mumbai in die größte Waschküche der Welt: Dhobi Ghat.

800 Waschbecken
Dhobi Ghat

14 Stunden bei der Arbeit

6000 Männer waschen hier von Hand in 14 Stunden Schichten etwa 1 Millionen Kleidungsstücke. Sauberer als jede Waschmaschine, sagte der Chef. Leider werden Jungs auch in dieser Gegend lieber in die Schule geschickt, anstatt in die Wäscherei, sagte auch der Chef. Dass der Job für Frauen zu anstrengend und wegen der eingesetzten Chemikalien auch zu gefährlich sei, sagte nicht nur der Chef. Übrigens:

Tagesverdienst der Waschmänner: ca. 5 Euro.

Wir durften 45 Minuten im Open Air Waschsalon drehen und ließen die Kamera glühen, bevor eine Blas- und Trommelkapelle einer an uns vorbeiziehenden Hochzeitsgesellschaft unsere Kamera weiterglühen ließ, unsere Ohren auch, die klingelten anschließend sogar. Der Bräutigam saß auf einem graubraunen Klepper und schaute mies drein. Ich denke, seine Mutter hat die Braut ausgesucht.

Bräutigam

Am Abend hingen wir wieder am Kingfisher Tropf, in einer miesen Spelunke, die das Bier auch in der Hardcore Version „Strong“ anbot. Böse Zungen behaupten, es sei mit Ganges-Wasser gebraut.

Sicher ist, wir hatten Schädelweh, vom Bier, von der Blaskapelle, vom Smog, von den giftigen Chemikalien, von dem herrlichen Chaos um uns herum. Tag drei in Bombay-Maximum City und wir hatten keine Sorge mehr, genügend Bilder machen zu können. Auch in den gut besetzten Vorstadtzügen, die ein paar Millionen Menschen täglich nach Mumbai-Maximum City brachten.

Philipp hielt die Kamera über die Köpfe der Menschen und bekam dann ob des Gedränges seine Arme eine halbe Stunde nicht mehr herunter, das hat ihm weh getan und die Bilder sind leicht verwackelt.

Am Chhatrapati Shivaji Maharaj Terminus

Einfahrt nach Mumbai

Mittags hat uns unsere Freundin in ihren Club eingeladen, zu Sandwiches und einem Sprung in den Pool. Den hatte ich gerade hinter mir, als der Bademeister zu mir an den Beckenrand kam und mir befahl das Wasser zu verlassen.

„Not allowed, now!“

Er hätte jetzt zwei Stunden Mittagspause und könne mich nicht beaufsichtigen. Ich habe ihm gesagt, dass ich selbst zehn Jahre Bademeister gewesen sei, in Studentenzeiten. Und dass ich hundert Meter in einer Minute kraulen könnte, und eine Tauchschein besäße. Ich glaube ich habe auch noch

„Mahlzeit und most welcome in Mumbai-Maximum City“

gesagt, aber er war, wie ich, auf Krawall gebürstet, also musste ich wieder unsere Freundin rufen. Die Tage vier und fünf haben wir den Basaren, Märkten und Fressmeilen der Stadt gewidmet: Chor Bazaar, Mohammed Ali Road und Crawford Market. Kein Mann in Uniform weit und breit, auch keine Frau. Dafür Speisen und Getränke, die einem deutschen Magen alles abverlangen – und noch viel mehr! Und wir konnten Sachen erstehen, die man nirgendwo sonst auf der Welt erstehen kann, außer vielleicht in Chennai (Madras) oder Kolkata (Kalkutta). Eine halbe Kneifzange, einen kaputten Fahrradschlauch, ein Paket Milchpulver aus dem Jahre 2007 oder einen Autositz mit aufgeschlitzter Sitzfläche. Von dem Autositz haben wir letztendlich Abstand genommen.

Mittagsschlaf

Störung

Standortwechsel
Plus Verlust der Ruhestätte

Ach ja, viele Bilder haben wir auch gedreht. An Tag sechs begann der spirituelle Part unserer Reise damit, dass wir uns der Hare-Krishna-Bewegung angeschlossen haben. Zumindest für einen halben Tag, so lange dauerte die Prozession der Hare-Krishna-Fangemeinde, die sich praktischerweise an einem Tempel vor unserem Haus zusammenfand.

Hare-Krishna-Jünger

Wir wurden freundlich aufgenommen in die Schar der Singenden. Beseelt und inspiriert beschlossen wir noch mehr für unser Karma zu tun und ins alte „Bhagwan Land“ nach Pune zu fahren.

Wir hatten ein Date mit Mokal Vinayak.

Mokal mit Shirdi Sai Baba

Er ist Wahrsager, Geschäftsmann und treuer Gefolgsmann des spirituellen Lehrers, Yogi und Fakir Shirdi Sai Baba. Und er ist ein Freund von Kingfisher „Strong“. Wir haben drei Tage sein Leben dokumentiert, sind ihm zu den heiligen Orten von Pune gefolgt und haben uns am Abend neben dem Hausaltar von seinem nepalesischen Diener ein paar Kingfisher hinter die Binde gekippt, vor allem, um die Luftverschmutzung der Stadt aus unseren Kehlen zu spülen.

Das gelang nur mäßig, unsere Rachen und Nebenhöhlen revoltierten, wir sehnten uns nach frischer Waldluft. Zurück im Mumbai folgte unser letzter Drehtag.

Wir fuhren an den Juhu Beach.

Mumbai-Maximum City at its best

Indisches Strandleben ähnelt deutschem Kirmesleben. Es waren dreißig Grad und ich springe normalerweise in jeden Tümpel, aber in dieses Meer am Juhu Beach bin ich nicht gesprungen.

Juhu Beach Life

Die Mumbaikar (die „Einheimischen“) ließen sicherheitshalber ihre Klamotten an, allerdings nicht wegen der Wasserqualität. Wir drehten die letzten Bilder und wollten uns zum Drehende eine Pizza gönnen, in einer indischen Pizzabude. Im Innern waren es gefühlte minus 15 Grad, also setzten wir uns nach draußen, direkt an eine belebte Straße.

Belebte Straße

Ein Höllenlärm und Höllengestank, aber wir hatten Heißhunger. Philipp machte sich eine Zigarette an und zack: da stand er: Der Mann in Uniform, in der Pizzabuden-Uniform.

„Not allowed!“

Philipp erklärte ihm daraufhin freundlich, dass das Einatmen des Zigarettenqualms doch definitiv gesünder sei als das Einatmen der Umgebungsluft. Da wollte der Mann in Uniform nicht kategorisch widersprechen. „Maybe, but not allowed!“ Ich hätte jetzt wieder unsere Freundin anrufen können, habe ich aber nicht. Stattdessen haben wir uns wenige Stunden später von ihr verabschiedet, und sehr herzlich bedankt für ihre Hilfe und Gastfreundschaft.

Freundin Geeta

Und dafür, dass wir auch dank ihr Material für drei Filme gesammelt hatten.

www.marcopolo.de/tv-sender.html

P.S.

Die Luft in indischen Städten ist definitiv atemberaubend, sie war aber nicht schuld an unseren Nasen/Rachen Problemen. Monate später tourten wir wieder in Asien, diesmal im Himalaya. Wieder labten wir uns am köstlichen Kingfisher, in einer Berg-Lodge weit weg von jeder Straße und jedem Verkehr. Und wieder explodierten Nasen und Rachen bei uns. Und da habe ich im Internet recherchiert und herausgefunden: Wir haben beide eine Allergie gegen die Hefe im Indischen oder sogar Asiatischen Bier. Zwei abstinente Tage und unsere Nasen- und Rachenräume fühlten sich wie neugeboren. Das war ein gutes Gefühl, einerseits – andererseits: was trinken wir jetzt auf unseren Reisen in Asien?  

Doch wieder Ganges-Wasser, so wie früher!

Früher am Ganges (1975)

Ich - Mikka Ich war schon immer eher Läufer und nicht Rädchen-Fahrer. Wir wohnten am Hang, ein unbefestigter Feldweg führte zu unserem Haus. Wir haben unsere Räder immer mehr geschoben als gefahren. Später verdiente ich mein Geld als Bademeister und Fensterputzer, da war ich auch viel zu Fuß unterwegs, ja und dann habe ich mit dem Marathon laufen angefangen. Und mit dem Bergwandern, ich war auch Reiseleiter im Himalaya. Als das Heruntergehen meinen Knien nicht mehr gefiel, hab ich das Paragleiten gelernt. Soviel zu meiner Sportkarriere. Beruflich lief es auch nicht so glatt. Als Junge wollte ich die Wetterstation auf der Zugspitze übernehmen. Es hat dann nur zum Wetterfrosch ohne Ausbildung gereicht. Lehrer konnte ich auch nicht werden, da hatte ich zwar eine Ausbildung, aber das Land NRW keine Jobs. Also wurde ich eben Reiseleiter, Reisereferent, Reiseverkäufer, Reiseredakteur und Reisejournalist. Ich bin ein bisschen herumgekommen. Habe Reisefilme gedreht, Reiseartikel und zwei Reisebücher geschrieben. Ich habe vor und hinter der Kamera gestanden, den Mount Everest fast bestiegen und die Sahara quasi durchquert. Ich bin viele Berge hochgelaufen und heruntergeflogen und ich bin seit 65 Jahren Gladbach Fan. Ich wurde in Mönchengladbach geboren.

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