Josef heißt er und gut zu Fuß ist er. Muss er auch, weil seine Arbeitsplätze im Sommer mitunter oberhalb der Waldgrenze, manchmal sogar noch höher, am Übergang von Hoch-Alm zu alpinem Felsgelände, liegen. Was treibt Josef dort oben, wo keine Straße oder Gondel hinführt.
Nein, er ist keine Hüttenwirt und auch kein Jäger oder Steinsucher. Er ist im Hauptberuf erfolgreicher Hotelier im Virgental in Osttirol und führt dort ein Kinderhotel. Er setzt auf Nachhaltigkeit und Bio und kann sich über Langeweile nicht beklagen. Zusammen mit seiner Frau Birgit betreibt er zusätzlich eine kleine Landwirtschaft. Das Wohl von Tieren, ganz gleich ob nun Katze, Hund, Pferd, Kuh oder Schaf, liegt beiden am Herzen.
So gehören zum Kinderhotel mittlerweile auch über 50 Tiere. Eine kleine Schafsherde zählt dazu. Die Tiere werden gehegt, gepflegt und geliebt, von den Gastkindern genauso wie von Birgit und Josef. Die Schafe kommen im Sommer auf die frisch sprießende und erblühende Hochweide, mehr als 1000 Höhenmeter über dem Talboden. Und der liegt auch schon knapp 1500 Meter hoch. Da oben, im Nationalpark Hohe Tauern, weiden die Tiere unterhalb der Dreitausender-Gipfel und erfüllen zwei wichtige Funktionen.
Sie sorgen für Artenvielfalt und verhindern in den etwas tieferen Lagen die Verbuschung.
Zumindest solange der Wolf nicht aufder Hoch-Alm vorbeischaut.
Hat er aber gemacht, Mitte Juli. Ein Schlachtfeld hat er hinterlassen. Dass ein Wolf nur zuschlägt, wenn er Hunger hat, ist eine Mär. Trifft er auf verängstigte und wehrlose Schafe, wird sein Jagd- und Beuteschlagreflex immer wieder ausgelöst. Er tötet ohne anschließendes großes Fressgelage. Das übernehmen Raubvögel wie die Gänsegeier für ihn. In unserem Ökosystem gehören Wölfe zu den sogenannten großen Beutegreifern, wie auch Luchse und Braunbären.
Josef hatte in der Nacht unten im Tal Böses geahnt. Die Sender, die seine Schafe trugen, hatten über viele Stunden keinen Ortswechsel mehr angezeigt. Das war völlig untypisch für seine Tiere. Im Morgengrauen war er auf dem Weg nach oben, zu seinen Schützlingen und kam doch zu spät. Das Blutbad war angerichtet. Die Tiere tot, der Räuber hinterließ eindeutige Spuren, gesichtet wurde er nicht.
Noch zweimal schlug er im Schutz der Dunkelheit in unwegsamem Gelände zu.
Neun Tiere fielen ihm zum Opfer. Josef hatte die Wolfsattacken sofort gemeldet, an den zuständigen Veterinär/Amtstierarzt in Lienz und die Ämter in Lienz und Innsbruck. Er hatte selbst Bissstellen aus seinen Tieren herausschneiden müssen, alle Verantwortlichen in den Behörden waren gerade in Urlaub. So konnte über die DNA festgestellt werden, dass es sich tatsächlich um Wolfsrisse gehandelt hatte. Er hatte viel telefoniert, er war beschwichtigt und vertröstet worden. Auch war er gebeten worden, nicht allzu viel „Geschrei“ zu veranstalten (wegen der Touristen). Er hat stillgehalten und nur die benachbarten Bauern informiert, deren Tiere sich ebenfalls in Todesgefahr befanden. Einen Schadenersatz hat Josef bis heute nicht gesehen.
Wobei der Schadenersatz auch nur eine Art Pflaster wäre. Die Tiere sind verloren, weil der Wolf in unserer Kulturlandschaft wieder eine Heimat finden soll, zumindest aus dieser nicht vertrieben werden wird.
Für mich ein Widerspruch in sich. Der Wolf geht als Beutegreifer auf die Jagd und jagt in einer Kulturlandschaft die Tiere, deren Haltung dort zur Existenzsicherung der Menschen beiträgt. Und natürlich jagt er vorrangig leichte Beute, also Schafe, die in großer Not keinen ausgeprägten Fluchttrieb besitzen, sondern eher wie paralysiert ihr Schicksal vor Ort ertragen.
Kulturlandschaft/Naturlandschaft
Ja, auch eine Hoch-Alm, die in Eis und Fels übergeht, ist in den Alpen oft Kulturland, weil vom Menschen genutzt, in Wert gesetzt – von Touristen, Bauern, Hirten und Hüttenwirten.
Sicherlich könnte man in bestimmten Übergangsregionen auch von naturnahen Kulturlandschaften sprechen, also von Landschaften, die vom Menschen wenig beeinflusst werden und demnach über einen hohen Natürlichkeitsgrad verfügen.
Reine Naturlandschaften, die vom Menschen völlig unbeeinflusst sind, werden in Europa vermutlich gar nicht mehr zu finden sein.
Hausrecht für den Wolf
Damit wird meines Erachtens klar: Wenn der Wolf in alpinem (naturnahem) Kulturland heimisch wird, bedroht er dauerhaft die Lebensgrundlage der Menschen, die dort die Landschaft zur extensiven Weidewirtschaft nutzen. Da Zäune oftmals nicht aufzustellen sind, weil die Regionen zu groß und zu unzugänglich sind und Hirten und Herdenschutzhunde den Kostenrahmen der Bauern sprengen, bleibt als Konsequenz, wenn der Wolf dauerhaft „Hausrecht“ bekommt: Die Hoch-Almen müssten aufgegeben und dem Wolf überlassen werden. Eine Koexistenz zwischen Wolf und Schaf wird es auf alpinen Weiden oberhalb dicht besiedelter Täler sicherlich nicht geben können.
Für mich drängt sich spontan die Frage auf: Warum wird der Wolf derart privilegiert behandelt und darf unter fast keinen Umständen aus der Flur genommen werden? Ich bin absolut kein Feind des Wolfes, Josef auch nicht. Und er weiß als Bergbauer nur zu gut, dass seine Tiere hoch oben auf der Alm generell gefährlich leben. Der Blitz kann sie treffen, ein herabstürzender Felsbrocken auch. Und natürlich passiert es auch immer wieder, dass ein Tier in unwegsamem Gelände in die Tiefe stürzt. Nur dieser grausame Tod mit Ansage, den der Wolf über die Schafe bringt, der besitzt eine andere Dimension. Noch sind die „Wolfshüter an der Macht,“ aber wenn ihr Schützling oft genug über die Stränge schlägt, wird ein Umdenken einsetzen. Leider werden vorher noch viele Schafe den Tod finden müssen.
Und: wer hält den Wolf auf seinem Siegeszug davon ab, in die Täler vorzurücken. Der Wolf ist ein Beutetier und kein Fluchttier.
Ich bin gespannt. Wenn die betroffenen Bauern wie Josef kein Gehör finden, werden es spätestens die Tourismusverantwortlichen sein. Dann nämlich, wenn sich herumgesprochen hat, dass der Wolf möglicherweise nicht nur Schafe zum Fressen gerne hat.
Sehr ausführliche Infos zum Thema Wolf liefert die Homepage des NABU/Naturschutzbund Deutschland
und die 9 Schafe!
Josef heißt er und gut zu Fuß ist er. Muss er auch, weil seine Arbeitsplätze im Sommer mitunter oberhalb der Waldgrenze, manchmal sogar noch höher, am Übergang von Hoch-Alm zu alpinem Felsgelände, liegen. Was treibt Josef dort oben, wo keine Straße oder Gondel hinführt.
Nein, er ist keine Hüttenwirt und auch kein Jäger oder Steinsucher. Er ist im Hauptberuf erfolgreicher Hotelier im Virgental in Osttirol und führt dort ein Kinderhotel. Er setzt auf Nachhaltigkeit und Bio und kann sich über Langeweile nicht beklagen. Zusammen mit seiner Frau Birgit betreibt er zusätzlich eine kleine Landwirtschaft. Das Wohl von Tieren, ganz gleich ob nun Katze, Hund, Pferd, Kuh oder Schaf, liegt beiden am Herzen.
So gehören zum Kinderhotel mittlerweile auch über 50 Tiere. Eine kleine Schafsherde zählt dazu. Die Tiere werden gehegt, gepflegt und geliebt, von den Gastkindern genauso wie von Birgit und Josef. Die Schafe kommen im Sommer auf die frisch sprießende und erblühende Hochweide, mehr als 1000 Höhenmeter über dem Talboden. Und der liegt auch schon knapp 1500 Meter hoch. Da oben, im Nationalpark Hohe Tauern, weiden die Tiere unterhalb der Dreitausender-Gipfel und erfüllen zwei wichtige Funktionen.
Link zum Replerhof:
https://www.replerhof.at/
Sie sorgen für Artenvielfalt und verhindern in den etwas tieferen Lagen die Verbuschung.
Zumindest solange der Wolf nicht auf der Hoch-Alm vorbeischaut.
Hat er aber gemacht, Mitte Juli. Ein Schlachtfeld hat er hinterlassen. Dass ein Wolf nur zuschlägt, wenn er Hunger hat, ist eine Mär. Trifft er auf verängstigte und wehrlose Schafe, wird sein Jagd- und Beuteschlagreflex immer wieder ausgelöst. Er tötet ohne anschließendes großes Fressgelage. Das übernehmen Raubvögel wie die Gänsegeier für ihn. In unserem Ökosystem gehören Wölfe zu den sogenannten großen Beutegreifern, wie auch Luchse und Braunbären.
Josef hatte in der Nacht unten im Tal Böses geahnt. Die Sender, die seine Schafe trugen, hatten über viele Stunden keinen Ortswechsel mehr angezeigt. Das war völlig untypisch für seine Tiere. Im Morgengrauen war er auf dem Weg nach oben, zu seinen Schützlingen und kam doch zu spät. Das Blutbad war angerichtet. Die Tiere tot, der Räuber hinterließ eindeutige Spuren, gesichtet wurde er nicht.
Noch zweimal schlug er im Schutz der Dunkelheit in unwegsamem Gelände zu.
Neun Tiere fielen ihm zum Opfer. Josef hatte die Wolfsattacken sofort gemeldet, an den zuständigen Veterinär/Amtstierarzt in Lienz und die Ämter in Lienz und Innsbruck. Er hatte selbst Bissstellen aus seinen Tieren herausschneiden müssen, alle Verantwortlichen in den Behörden waren gerade in Urlaub. So konnte über die DNA festgestellt werden, dass es sich tatsächlich um Wolfsrisse gehandelt hatte. Er hatte viel telefoniert, er war beschwichtigt und vertröstet worden. Auch war er gebeten worden, nicht allzu viel „Geschrei“ zu veranstalten (wegen der Touristen). Er hat stillgehalten und nur die benachbarten Bauern informiert, deren Tiere sich ebenfalls in Todesgefahr befanden. Einen Schadenersatz hat Josef bis heute nicht gesehen.
Wobei der Schadenersatz auch nur eine Art Pflaster wäre. Die Tiere sind verloren, weil der Wolf in unserer Kulturlandschaft wieder eine Heimat finden soll, zumindest aus dieser nicht vertrieben werden wird.
Für mich ein Widerspruch in sich. Der Wolf geht als Beutegreifer auf die Jagd und jagt in einer Kulturlandschaft die Tiere, deren Haltung dort zur Existenzsicherung der Menschen beiträgt. Und natürlich jagt er vorrangig leichte Beute, also Schafe, die in großer Not keinen ausgeprägten Fluchttrieb besitzen, sondern eher wie paralysiert ihr Schicksal vor Ort ertragen.
Kulturlandschaft/Naturlandschaft
Ja, auch eine Hoch-Alm, die in Eis und Fels übergeht, ist in den Alpen oft Kulturland, weil vom Menschen genutzt, in Wert gesetzt – von Touristen, Bauern, Hirten und Hüttenwirten.
Sicherlich könnte man in bestimmten Übergangsregionen auch von naturnahen Kulturlandschaften sprechen, also von Landschaften, die vom Menschen wenig beeinflusst werden und demnach über einen hohen Natürlichkeitsgrad verfügen.
Reine Naturlandschaften, die vom Menschen völlig unbeeinflusst sind, werden in Europa vermutlich gar nicht mehr zu finden sein.
Hausrecht für den Wolf
Damit wird meines Erachtens klar: Wenn der Wolf in alpinem (naturnahem) Kulturland heimisch wird, bedroht er dauerhaft die Lebensgrundlage der Menschen, die dort die Landschaft zur extensiven Weidewirtschaft nutzen. Da Zäune oftmals nicht aufzustellen sind, weil die Regionen zu groß und zu unzugänglich sind und Hirten und Herdenschutzhunde den Kostenrahmen der Bauern sprengen, bleibt als Konsequenz, wenn der Wolf dauerhaft „Hausrecht“ bekommt: Die Hoch-Almen müssten aufgegeben und dem Wolf überlassen werden. Eine Koexistenz zwischen Wolf und Schaf wird es auf alpinen Weiden oberhalb dicht besiedelter Täler sicherlich nicht geben können.
Für mich drängt sich spontan die Frage auf: Warum wird der Wolf derart privilegiert behandelt und darf unter fast keinen Umständen aus der Flur genommen werden? Ich bin absolut kein Feind des Wolfes, Josef auch nicht. Und er weiß als Bergbauer nur zu gut, dass seine Tiere hoch oben auf der Alm generell gefährlich leben. Der Blitz kann sie treffen, ein herabstürzender Felsbrocken auch. Und natürlich passiert es auch immer wieder, dass ein Tier in unwegsamem Gelände in die Tiefe stürzt. Nur dieser grausame Tod mit Ansage, den der Wolf über die Schafe bringt, der besitzt eine andere Dimension. Noch sind die „Wolfshüter an der Macht,“ aber wenn ihr Schützling oft genug über die Stränge schlägt, wird ein Umdenken einsetzen. Leider werden vorher noch viele Schafe den Tod finden müssen.
Und: wer hält den Wolf auf seinem Siegeszug davon ab, in die Täler vorzurücken. Der Wolf ist ein Beutetier und kein Fluchttier.
Ich bin gespannt. Wenn die betroffenen Bauern wie Josef kein Gehör finden, werden es spätestens die Tourismusverantwortlichen sein. Dann nämlich, wenn sich herumgesprochen hat, dass der Wolf möglicherweise nicht nur Schafe zum Fressen gerne hat.
Sehr ausführliche Infos zum Thema Wolf liefert die Homepage des NABU/Naturschutzbund Deutschland
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/wolf/deutschland/index.html
Abschließend interne Links zu weiteren Geschichten aus dem Virgental:
An einem Sonntag – Jagdabenteuer
Eisiges Grab
Ein November in den Bergen Osttirols
Buchtipp:
Das Glück des Wolfes, von Paolo Cagnetti (Bestseller: Acht Berge), Penguin Verlag, 2021
Bildquelle Wolf: ClipDealer