Fremder Mann im Kopf

Bei minus 14 Grad kam die Sonne über den Berg und ich war mehr als motiviert mir einen neuen Winter-Wundertag auf gar keinen Fall entgehen zu lassen. Nur mit welcher Gerätschaft wollte ich der Winterlandschaft auf den Pelz rücken? Mit Ski, Langlaufski, Tourenski, Schneeschuhen oder nur einfachen Winterstiefeln? Der Wind gab mir die Antwort. Schneeschuhe unter die Füße, Paragleiter auf den Rücken. Mit dem Auto musste ich an den Fuß meines Berges fahren und da sah ich ihn:

den Erwin!

Erwin will gewinnen

Mit ernstem Gesicht, bemüht stechendem Blick und verschränkten Armen vor der Brust nahm ich ihn erst nur zur Kenntnis, aber dann kroch er zäh und unwiderruflich in meine Gedankengänge. Wenn man so schön und einsam durch den einsamen Winterwald stapft,

Tirol im Januar 2024

gehen die Gedanken gerne mit spazieren. Aber wenn man kurz zuvor so einen Erwin getroffen hat, dann beißt der sich wie eine Zecke fest im Hirn. Was will Erwin von mir, will er überhaupt was von mir? Ich kenne ihn überhaupt nicht! Ist er ein Guter oder ein Böser? Was sagt mir seine Körperhaltung? Braucht er möglicherweise gar meine Hilfe? Bei dem Vornamen! Alles Mummpitz natürlich – denke ich im tiefen, weißen Tann. Er hatte mir doch auf einem zweiten Plakat eine klare Ansage gemacht. Kämpfen wollte er für mich!

Erwin will gewinnen und kämpfen

Hier am Berg etwa? Wollte er meinen Paragleiter tragen? Oder wollte er so allgemein für mich kämpfen, für meine Rente und so. Wobei, ich war in Österreich und vielleicht wollte er auch nur für seine Landsleute kämpfen und auf gar keinen Fall für uns Piefke. Aber dann hätte er es dazuschreiben müssen. Schließlich hatte ich das große Plakat an der Brenner Autobahn gesehen und da fahren nun mal täglich tausende Piefke vorbei.

Ich hatte jetzt fast die Waldgrenze erreicht

und in der dünner werdenden Luft wurden die Fragen immer wirrer und drängender. Wollte ich, dass dieser weiße, alte Mann für mich überhaupt in den Kampf zog. Mit Schneekanonen vielleicht.

Schneekanone in Aktion

Auch Mummpitz. Und überhaupt, für mich sah Erwin, wenn ich ihn mir wieder ins Gedächtnis rief, eher so aus, als hätte er mit seinem eigenen Lebenskampf schon genug zu tun. Erwin – ein Kämpfer? Eher ein Raiffeisen-Filialleiter im Ruhestand, mit Arthrose in beiden Knien, oder ein Apotheker, der noch keine Nachfolge gefunden hat.

Noch die letzten Schritte im tiefen Schnee

und das Seefelder Joch auf über 2000 Metern Meereshöhe lag mir zu Füßen.

Blick vom Joch nach Seefeld hinunter

Schnell die schweißnassen Sachen gegen trockene und warme getauscht und dann den Wind geprüft. Erwin verließ meine Gedankenwelt so schnell, wie er sie gekapert hatte. Meine Gedanken wurden klar, jetzt galt mein Fokus ganz allein dem Thema: wie im Tiefschnee in die Luft kommen. Zwei Stunden wieder zurück ins Tal stapfen waren eine Option, aber eine denkbar schlechte. Fliegen an kalten Wintertagen ist zwar eine frostige Angelegenheit, besonders wegen des Wind-Chill-Faktors, aber auch ein Vergnügen: großartige Aussichten, ruhige Luftmassen und freie Landeplätze.

Der Wind wurde kräftig,

der Schirm ließ sich leicht rückwärts aufziehen, dann ausdrehen und drei Schritte nach vorne bis an die Kante des kleinen Plateaus. Von dort brachte ein aktiver Schritt in den Steilhang meinen Schirm und mich in die Luftfahrt. Was war Erwin jetzt weit weg. Für weitere zwanzig Minuten, exakt bis zur Landung mitten in Seefeld.

Kurz vor meiner Landung in Seefeld

Da schaute er wieder ums Eck und wollte meine Oberstube besetzen. Ich habs nicht zugelassen und ihm mit meinem Handy den Garaus gemacht. Hier unten hatte ich Netz und konnte klären, was der Erwin war und was er wollte. Was war ich nach wenigen Minuten erleichtert! Erwin wollte nichts von mir, auch nicht für mich kämpfen. Ich konnte ohne den Erwin weiterleben.

Erwin ist auch in Innsbruck präsent

Er heißt mit Nachnamen Zangerl,

ist ein echter Präsident, und zwar von der Tiroler Arbeiterkammer AK. Die wiederum ist die gesetzliche Interessenvertretung aller Arbeitnehmer in Tirol. Und die AK hielt vom 29. Januar bis 8. Februar ihre Wahl ab. Und der Erwin als Präsident wollte schlichtweg zur Wahl aufrufen und versprach sich für die Belange aller Tiroler Arbeitnehmer einzusetzen, sogar dafür zu kämpfen. Also ist der mir fremde Erwin ganz klar ein Guter!

Winteridylle im Gnadenwald bei Innsbruck

Link zur Arbeiterkammer:

https://tirol.arbeiterkammer.at/ueberuns/AK_Wahl/AK-Wahl.html

Interner Link aus gegebenem Anlass:

Winter im Westen

Ich - Mikka Ich war schon immer eher Läufer und nicht Rädchen-Fahrer. Wir wohnten am Hang, ein unbefestigter Feldweg führte zu unserem Haus. Wir haben unsere Räder immer mehr geschoben als gefahren. Später verdiente ich mein Geld als Bademeister und Fensterputzer, da war ich auch viel zu Fuß unterwegs, ja und dann habe ich mit dem Marathon laufen angefangen. Und mit dem Bergwandern, ich war auch Reiseleiter im Himalaya. Als das Heruntergehen meinen Knien nicht mehr gefiel, hab ich das Paragleiten gelernt. Soviel zu meiner Sportkarriere. Beruflich lief es auch nicht so glatt. Als Junge wollte ich die Wetterstation auf der Zugspitze übernehmen. Es hat dann nur zum Wetterfrosch ohne Ausbildung gereicht. Lehrer konnte ich auch nicht werden, da hatte ich zwar eine Ausbildung, aber das Land NRW keine Jobs. Also wurde ich eben Reiseleiter, Reisereferent, Reiseverkäufer, Reiseredakteur und Reisejournalist. Ich bin ein bisschen herumgekommen. Habe Reisefilme gedreht, Reiseartikel und zwei Reisebücher geschrieben. Ich habe vor und hinter der Kamera gestanden, den Mount Everest fast bestiegen und die Sahara quasi durchquert. Ich bin viele Berge hochgelaufen und heruntergeflogen und ich bin seit 65 Jahren Gladbach Fan. Ich wurde in Mönchengladbach geboren.

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