Kurz mal nach Graz

Kurz mal nach Graz ist leicht gesagt bzw. geschrieben. Für mich sind es fast 900 Kilometer bis in die zweitgrößte Stadt Österreichs. Also kein Katzensprung. Aber definitiv ein lohnenswerter Trip. Die Stadt versprüht wenig Tiroler Gemütlichkeit (ist ja auch die Landeshauptstadt der Steiermark), dafür umso mehr großstädtisches und jugendliches Flair inmitten einer Weltkulturerbe Altstadt. Graz war 2003 Kulturhauptstadt Europas, in Graz studieren mehr als 60.000 Studenten aus ganz Europa, von Graz ins slowenische Maribor sind es kaum 70 Kilometer und das Wandergebiet rund um den Schöckl (1445m), den Hausberg von Graz, liegt nur rund 20 Kilometer vor den Toren der Stadt. Ist Graz eine Reise wert? Definitiv!

Graz in Österreich
Blick über die Mur zum Schlossberg

Hier mein 3-Tagesprogramm aus dem Sommer 2023

Tag 1: Graz die Stadt

Schlossberg

Nach dem Frühstück laufe ich erstmal auf den Schlossberg, der direkt über der Altstadt thront und entsprechend gute Blicke auf das Grazer Becken eröffnet. Der absolute Blickfang dort: der Grazer Uhrturm, 28 Meter hoch und im Kern ca. 800 Jahre alt.

Der Uhrturm von Graz

Die Burg ist im Guinnessbuch der Rekorde als stärkste Festung aller Zeiten verzeichnet. Wer nicht gut zu Fuß ist, kann auch per Lift oder Bahn die hundert Höhenmeter aus der Stadt auf den Schlossberg überwinden.

Kunsthaus

Ich nehme die 260 Treppenstufen hinunter zur Mur und werfe einen Blick auf die künstliche Insel in der Mur, die im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres von dem New Yorker Designer Vito Acconi in einer Muschelform erschaffen wurde.

Mur-Insel
Coole Location für eine Kaffee

Einen Steinwurf weiter steht das architektonische Wahrzeichen der Stadt, das Kunsthaus. Auch das wurde anlässlich des Europäischen Kulturhauptstadtjahres geschaffen. Von außen finde ich das Kunsthaus super, die Kultur innendrin war nicht so mein Ding, Kulturbanause eben.

Kunst im Kunsthaus

Altstadt

Ich spaziere in die Altstadt, an der über 450 Jahre alten Hofbäckerei vorbei,

Hofbäckerei in Graz
Immer noch eine Institution

anschließend zum Mausoleum, gleich neben dem Grazer Dom. Kein Besucheransturm, kein Gedränge, keine Hektik! Graz liegt abseits der ausgetretenen Touristenpfade, das gefällt mir.  

Kaiser Ferdinand II liegt hier

Um die Ecke und ich stehe im Burghof der Grazer Burg und sehe das erste Mal in meinem Leben: eine Doppelwendeltreppe. Auf den ersten Blick wirkt sie wie eine optische Täuschung.

Doppelwendeltreppe in Graz
Echt abgedreht – diese Treppe

Die „Versöhnungsstiege“ besteht aus zwei gegenläufigen Treppen, die auf jedem Stockwerk kurz verschmelzen, sich trennen und wieder zusammenkommen.

Am Abend fällt es nicht schwer, in der Altstadt ein paar deftige österreichische Gaumenfreuden zu finden. Alles zu Fuß, alles entspannt, sogar das Gewitter wartet mit seinen Regengüssen bis zum späten Abend.

Tag 2: Vor den Toren der Stadt

Ich war im Juni in Graz und da war der Sommer ja noch ein Sommer, entsprechend strahlend zeigte sich der nächste Morgen. Passend für den Schwarzlsee vor den Toren der Stadt. Euro 13,40 für Eintritt und Parken fand ich kräftig, aber: das Gelände und der künstliche See sind riesig und die gesamte Anlage ist bestens in Schuss. Nach einer mittäglichen Siesta und einem schattigen Baum wollte ich auch diesen Tag nicht ganz kulturlos verbringen.

Schwarzlsee bei Graz
Sehr viel Wasserfläche pro Gast

Der Österreichische Skulpturenpark liegt unweit des Sees. Gleich davor konnte ich mein Auto parken und mir in aller Ruhe und kostenfrei die etwa 60 Skulpturen zu Gemüte führen. Ein schönes und weitläufiges Gelände und sehr überraschende Kunstobjekte!

Sulpturenpark bei Graz
Flugzeugteile von Nancy Rubins, 2003

Tag 3: Wanderung zum Speikkogel

In den Lavanttaler Alpen, 30 Kilometer nordwestlich der Stadt, lag mein Tagesziel. Über Übelbach und Neuhof fuhr ich immer geradeaus via Neuhofgraben bis zum Hoyer Parkplatz am Ende des Neuhof-Hoyerweges. Der alte Almweg sollte mich zur Gleinalpe führen. Im unteren Teil des Tales musste ich einem Fahrweg folgen, der für Fahrzeuge wegen eines Murenabgangs aber sowieso gesperrt war. Weiter oberhalb wurde es dann sehr schön und sehr einsam. Und oberhalb der bewirtschafteten Gleinalm auch sehr neblig, kalt und zugig. Keine weiteren Wanderer weit und breit und im Nebel nur schwer auffindbare Wegmarkierungen. Am Gipfel des Speikkogel in knapp 2000 Metern Höhe fegte der Sturm, ich schoss ein „Beweisfoto“ und stürmte talwärts.

Auf dem Speikkogel bei Graz
Die letzten Sonnenstrahlen, dann kam der Nebel

Eine kleine Schlammlawine hatte meine Aufstiegsroute an einer Stelle verschüttet und ich musste einen kleinen Umweg im kontur- und baumlosen Gelände machen.

Fehltritt

Fatal, denn im immer dichter werdenden Nebel habe ich die Orientierung verloren und stieg auf der falschen Bergseite ab. Das wurde mir allzu deutlich, als keine Wegmarkierungen mehr aufzufinden waren, das Gelände immer unzugänglicher wurde und die Anzahl der Berggämsen um mich herum drastisch anstieg. So viele hatte ich schon lange nicht mehr gesehen, aber so einen dämlichen Fehler hatte ich auch schon lange nicht mehr gemacht. Kurzum: Nach knapp drei Stunden Abstieg querfeldein stand ich im kleinen Weiler Glein. Weit und breit keine Menschenseele, bis auf einen alten Förster in seinem fast so alten Geländewagen. „Von hier nach Neuhof, wo du gestartet bist, das sind 70 Kilometer mit dem Bus, auch über die Autobahn. Das funktioniert nicht, schon gar nicht am Wochenende.“ Es war Nachmittag, ich hatte fast 30 Kilometer in den Knochen und ich sah mich schon im nächsten Heuschober übernachten.

Rettung

Da hatte der alte Oberförster ein Einsehen, lud mich in seinen Jeep und fuhr auf ihm wohlbekannten Forstwegen eine halbe Stunde wieder in die Höhe. Da hatte sich der Nebel inzwischen gelichtet und erst knapp unterhalb der Gleinalpe endete der Forstweg. Ich habe mich ziemlich ausführlich bei meinem Retter bedankt, bin zur Berghütte hochgestürmt, habe einen Radler in mich hineingeschüttet

Gleinalpe
Eine ganz schnelle Radler-Pause

und bin dann auf der richtigen Talseite zu meinem Auto abgestiegen.

Nach 45 Kilometern bergauf und -ab klemmte ich mich hinters Steuer und hatte nur noch zwei Wünsche: Schnitzel und ein großes Puntigamer („das beste Bier der Welt“).

Lust auf eine weitere „Ösi“ Stadt?

Kurz mal nach Bregenz

Hier die weiterführenden Links für den Blogbeitrag:

Gleinalpe:

https://www.murtal.at/steiermark/sommer/bergwelten/wanderkarte-2/gleinalpe

Schwarzlsee:

https://www.schwarzlsee.at/

Skulpturenpark:

https://www.museum-joanneum.at/skulpturenpark/skulpturen/skulpturenpark

Kunsthaus Graz:

https://www.museum-joanneum.at/kunsthaus-graz

Stadt Graz:

https://www.stadt-graz.at/

Hofbäckerei:

https://www.hofbaeckerei.at/

Stadtmusikanten in Graz

Ich - Mikka Ich war schon immer eher Läufer und nicht Rädchen-Fahrer. Wir wohnten am Hang, ein unbefestigter Feldweg führte zu unserem Haus. Wir haben unsere Räder immer mehr geschoben als gefahren. Später verdiente ich mein Geld als Bademeister und Fensterputzer, da war ich auch viel zu Fuß unterwegs, ja und dann habe ich mit dem Marathon laufen angefangen. Und mit dem Bergwandern, ich war auch Reiseleiter im Himalaya. Als das Heruntergehen meinen Knien nicht mehr gefiel, hab ich das Paragleiten gelernt. Soviel zu meiner Sportkarriere. Beruflich lief es auch nicht so glatt. Als Junge wollte ich die Wetterstation auf der Zugspitze übernehmen. Es hat dann nur zum Wetterfrosch ohne Ausbildung gereicht. Lehrer konnte ich auch nicht werden, da hatte ich zwar eine Ausbildung, aber das Land NRW keine Jobs. Also wurde ich eben Reiseleiter, Reisereferent, Reiseverkäufer, Reiseredakteur und Reisejournalist. Ich bin ein bisschen herumgekommen. Habe Reisefilme gedreht, Reiseartikel und zwei Reisebücher geschrieben. Ich habe vor und hinter der Kamera gestanden, den Mount Everest fast bestiegen und die Sahara quasi durchquert. Ich bin viele Berge hochgelaufen und heruntergeflogen und ich bin seit 65 Jahren Gladbach Fan. Ich wurde in Mönchengladbach geboren.

Comments (4)

  1. Schöner Bericht! Macht Lust auf Nachahmung (bis auf die Spezial-Wanderung).
    Und Graz hat eine kommunistische Bürgermeisterin (KPÖ)!

  2. Ich bin begeistert! Sollte verfilmt werden…

  3. 👍🍺

  4. Christian Bauer

    Schöner Bericht. Besonders der Schluss hat mir gut gefallen 🙂 Ich werde diesen Sommer wohl auch in Tirol verbringen. Viele Grüße

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