und es geht ans Handgepäck. Alles Notwendige für die nächsten 6 Stunden kommt in die große Tüte, auf der Jörgs Nummer steht: 2015. Zuerst die Startnummer, die auf die Brust muss. Dazu acht Sicherheitsnadeln, wovon vier in Reserve sind. Ein kleines Handtuch, ein Stofftaschentuch und ein kompletter Satz warme Ersatzklamotten inklusive Socken und Unterhose für danach. Dazu einen 0,7 Literflasche Mineralwasser, zwei Aspirintabletten, zwanzig Euro als Notgroschen, eine kleine Tube mit Vaseline, 2 kleine Heftpflaster, eine Packung Tempo, ein blauer Müllsack (mit Löchern zum Überziehen), ein kleines Schweizer Messer, den Laufchip für die Schuhe, kein Duschzeug. Jörg duscht nie auswärts, wegen Fußpilzgefahr. Erst frisst der Pilz die Haut, dann die Nägel, dann den ganzen Fuß. Das kann ganz schnell gehen, sogar noch vor dem Start.
Jetzt noch mal pinkeln gehen, sicherheitshalber? Und so langsam müsste auch das große Geschäft winken. Auf keinen Fall unterwegs, auch nicht in einem Dixi Klo. In einem Dixi Klo bekommt man nicht nur Fußpilz.
Ein Kaffee würde jetzt helfen.
Aber Kaffee schlägt ihm auf den Magen und den braucht er heute noch. Nicht direkt, aber der muss sich einfach ruhig verhalten, so wie das linke Knie und die Knochenhaut, ebenfalls unten links. Zigarette wäre auch nicht schlecht für die Verdauung, aber leider für die Lunge und die soll, ja muss heute eine Hauptrolle übernehmen. Also läuft er noch ein wenig nervös durch seine Wohnung, blättert in der Fernsehzeitung, stellt seine Straßenschuhe hinter der Eingangstür noch exakter in Reih und Glied, zieht das Bettzeug ab und steckt es in die Waschmaschine und hört in sich hinein, aber da meldet sich doch nur wieder das verdammte linke Knie.
Um viertel vor sieben Uhr
nimmt er auf der Brille Platz. Das ist jetzt die halbe Miete, sinniert er. Das wird jetzt auch mit dem Knie klappen, wenn es den Ernst der Lage erkennt, wird es klein beigeben. Wenn es sich heute benimmt, bekommt es eine Woche frei, verspricht ihm Jörg. Die Packung Tempotaschentücher als Klopapier-Ersatz kann er jetzt wieder aus der Tüte nehmen. Das macht er auch.
Und schnell nochmal die ganze Tüte kontrollieren!
Um kurz vor sieben ist Jörg gewappnet
und, trotz schlechter Nachtruhe und schwächelnden Körperteilen, bereit, die sonntägliche Herausforderung anzunehmen.
Unter den Fleece zieht er jetzt noch zwei alte T-Shirts. Seine 3-Zimmerwohnung liegt im Erdgeschoss und gleich draußen an der Haustür links hängt ein Thermometer. Es sind neun Grad, es ist stark bewölkt, soweit er das in der Dunkelheit beurteilen kann, es regnet nicht und der Wind hat endgültig klein beigegeben. Über Mittag soll die Temperatur um drei bis vier Grad steigen, Regen ist nicht angesagt, aber der Wind soll wieder kommen.
New York
kommt ihm wieder in den Sinn, damals hatte es gefroren, also bitte! Und dazu nicht nur ein Wind, nein ein Sturm. Und alle Läufer mussten drei Stunden vor dem Start die Verrezzano Brücke überquert haben und im Startbereich auf Staten Island auf den erlösenden Schuss warten.
Warm up
Tausende Menschen hüpften von einem Bein auf das andere, zogen sich Plastiktüten über die Schuhe, Mützen in die Stirn, steckten die Hände tief in die Hosentaschen, bis dahin, wo noch ein wenig Wärme zu spüren war. Andere standen zitternd vor Dixie Klos, sorgten dafür, dass in der weltlängsten Pinkelrinne aus einem Rinnsal ein mächtiger Sturzbach wurde,
schnürten sich die Schuhe zum zehnten Mal mit Doppelknoten und zählten die Uhr herunter. Drei Stunden, hundertachtzig Minuten galt es zu vernichten, ohne zu erfrieren, ohne aber gleichzeitig unnötig viel Energie zu verlieren. Auf der Stelle Hüpfen verbrennt aber Energie, reines Frieren auch. Beim Ganzkörperzittern ziehen sich ständig Muskeln zusammen und entspannen wieder, also wie sah der geeignete Überlebenskampf auf Staten Island aus. Jörg hatte sich gegen die Hüpf- und auch gegen die Zittermethode entschieden, seine Variante hieß: Möglichst regungslos Liegen als Unterlage Zeitungspapier (aus dem Hotelzimmer mitgebracht) und eingehüllt in die Mülltüte (von zu Hause mitgebracht).
Mit dem Schweizer Messer hatte er tags zuvor drei Löcher hineingeschnitten, zwei für die Arme, eins für den Kopf. Er war kurz davor, aus einem nahestehenden Mülleimer leere Milch- und Orangensafttüten einzusammeln und damit ein kleines Feuerchen zwischen seinen Beinen zu entfachen. Aber er hatte kein Feuerzeug und dazu viel zu viel Angst vor den New Yorker Ordnungshütern und den berühmten Fire Brigades. Die wären doch ganz sicher sofort mit 13 Löschzügen angerückt. So ziemlich das Einzige, was er in seiner Situation nicht gebrauchen konnte, war kaltes Wasser aus 13 Feuerwehrschläuchen.
Sieben Uhr:
Jörgs Handy bleibt auf dem Küchentisch liegen, unnötiger Ballast. Die Tüte fliegt auf die Rückbank seines alten Passat, er schnallt sich an und startet in seinen Morgen. Er hat Glück mit dem Parkplatz und erwischt die U-Bahn um 7.30 Uhr.
Kurze Geschichte 3 –
Der Morgen des Running Man –
Es ist halb sieben
und es geht ans Handgepäck. Alles Notwendige für die nächsten 6 Stunden kommt in die große Tüte, auf der Jörgs Nummer steht: 2015. Zuerst die Startnummer, die auf die Brust muss. Dazu acht Sicherheitsnadeln, wovon vier in Reserve sind. Ein kleines Handtuch, ein Stofftaschentuch und ein kompletter Satz warme Ersatzklamotten inklusive Socken und Unterhose für danach. Dazu einen 0,7 Literflasche Mineralwasser, zwei Aspirintabletten, zwanzig Euro als Notgroschen, eine kleine Tube mit Vaseline, 2 kleine Heftpflaster, eine Packung Tempo, ein blauer Müllsack (mit Löchern zum Überziehen), ein kleines Schweizer Messer, den Laufchip für die Schuhe, kein Duschzeug. Jörg duscht nie auswärts, wegen Fußpilzgefahr. Erst frisst der Pilz die Haut, dann die Nägel, dann den ganzen Fuß. Das kann ganz schnell gehen, sogar noch vor dem Start.
Jetzt noch mal pinkeln gehen, sicherheitshalber? Und so langsam müsste auch das große Geschäft winken. Auf keinen Fall unterwegs, auch nicht in einem Dixi Klo. In einem Dixi Klo bekommt man nicht nur Fußpilz.
Ein Kaffee würde jetzt helfen.
Aber Kaffee schlägt ihm auf den Magen und den braucht er heute noch. Nicht direkt, aber der muss sich einfach ruhig verhalten, so wie das linke Knie und die Knochenhaut, ebenfalls unten links. Zigarette wäre auch nicht schlecht für die Verdauung, aber leider für die Lunge und die soll, ja muss heute eine Hauptrolle übernehmen. Also läuft er noch ein wenig nervös durch seine Wohnung, blättert in der Fernsehzeitung, stellt seine Straßenschuhe hinter der Eingangstür noch exakter in Reih und Glied, zieht das Bettzeug ab und steckt es in die Waschmaschine und hört in sich hinein, aber da meldet sich doch nur wieder das verdammte linke Knie.
Um viertel vor sieben Uhr
nimmt er auf der Brille Platz. Das ist jetzt die halbe Miete, sinniert er. Das wird jetzt auch mit dem Knie klappen, wenn es den Ernst der Lage erkennt, wird es klein beigeben. Wenn es sich heute benimmt, bekommt es eine Woche frei, verspricht ihm Jörg. Die Packung Tempotaschentücher als Klopapier-Ersatz kann er jetzt wieder aus der Tüte nehmen. Das macht er auch.
Und schnell nochmal die ganze Tüte kontrollieren!
Um kurz vor sieben ist Jörg gewappnet
und, trotz schlechter Nachtruhe und schwächelnden Körperteilen, bereit, die sonntägliche Herausforderung anzunehmen.
Unter den Fleece zieht er jetzt noch zwei alte T-Shirts. Seine 3-Zimmerwohnung liegt im Erdgeschoss und gleich draußen an der Haustür links hängt ein Thermometer. Es sind neun Grad, es ist stark bewölkt, soweit er das in der Dunkelheit beurteilen kann, es regnet nicht und der Wind hat endgültig klein beigegeben. Über Mittag soll die Temperatur um drei bis vier Grad steigen, Regen ist nicht angesagt, aber der Wind soll wieder kommen.
New York
kommt ihm wieder in den Sinn, damals hatte es gefroren, also bitte! Und dazu nicht nur ein Wind, nein ein Sturm. Und alle Läufer mussten drei Stunden vor dem Start die Verrezzano Brücke überquert haben und im Startbereich auf Staten Island auf den erlösenden Schuss warten.
Warm up
Tausende Menschen hüpften von einem Bein auf das andere, zogen sich Plastiktüten über die Schuhe, Mützen in die Stirn, steckten die Hände tief in die Hosentaschen, bis dahin, wo noch ein wenig Wärme zu spüren war. Andere standen zitternd vor Dixie Klos, sorgten dafür, dass in der weltlängsten Pinkelrinne aus einem Rinnsal ein mächtiger Sturzbach wurde,
schnürten sich die Schuhe zum zehnten Mal mit Doppelknoten und zählten die Uhr herunter. Drei Stunden, hundertachtzig Minuten galt es zu vernichten, ohne zu erfrieren, ohne aber gleichzeitig unnötig viel Energie zu verlieren. Auf der Stelle Hüpfen verbrennt aber Energie, reines Frieren auch. Beim Ganzkörperzittern ziehen sich ständig Muskeln zusammen und entspannen wieder, also wie sah der geeignete Überlebenskampf auf Staten Island aus. Jörg hatte sich gegen die Hüpf- und auch gegen die Zittermethode entschieden, seine Variante hieß: Möglichst regungslos Liegen als Unterlage Zeitungspapier (aus dem Hotelzimmer mitgebracht) und eingehüllt in die Mülltüte (von zu Hause mitgebracht).
Mit dem Schweizer Messer hatte er tags zuvor drei Löcher hineingeschnitten, zwei für die Arme, eins für den Kopf. Er war kurz davor, aus einem nahestehenden Mülleimer leere Milch- und Orangensafttüten einzusammeln und damit ein kleines Feuerchen zwischen seinen Beinen zu entfachen. Aber er hatte kein Feuerzeug und dazu viel zu viel Angst vor den New Yorker Ordnungshütern und den berühmten Fire Brigades. Die wären doch ganz sicher sofort mit 13 Löschzügen angerückt. So ziemlich das Einzige, was er in seiner Situation nicht gebrauchen konnte, war kaltes Wasser aus 13 Feuerwehrschläuchen.
Sieben Uhr:
Jörgs Handy bleibt auf dem Küchentisch liegen, unnötiger Ballast. Die Tüte fliegt auf die Rückbank seines alten Passat, er schnallt sich an und startet in seinen Morgen. Er hat Glück mit dem Parkplatz und erwischt die U-Bahn um 7.30 Uhr.
Ein guter Laufkalender unter:
https://www.marathon.de/
Interne Links / 1. für eine schöne Wanderung / 2. Running Man 1 / 3. Running Man 2
100 km Wandern
Running Man 1
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Nächste Woche: Running Man Folge 4 – das Finale