Running Man 3

Kurze Geschichte 3

Der Morgen des Running Man

Es ist halb sieben

und es geht ans Handgepäck. Alles Notwendige für die nächsten 6 Stunden kommt in die große Tüte, auf der Jörgs Nummer steht: 2015. Zuerst die Startnummer, die auf die Brust muss. Dazu acht Sicherheitsnadeln, wovon vier in Reserve sind. Ein kleines Handtuch, ein Stofftaschentuch und ein kompletter Satz warme Ersatzklamotten inklusive Socken und Unterhose für danach. Dazu einen 0,7 Literflasche Mineralwasser, zwei Aspirintabletten, zwanzig Euro als Notgroschen, eine kleine Tube mit Vaseline, 2 kleine Heftpflaster, eine Packung Tempo, ein blauer Müllsack (mit Löchern zum Überziehen), ein kleines Schweizer Messer, den Laufchip für die Schuhe, kein Duschzeug. Jörg duscht nie auswärts, wegen Fußpilzgefahr. Erst frisst der Pilz die Haut, dann die Nägel, dann den ganzen Fuß. Das kann ganz schnell gehen, sogar noch vor dem Start.

Jetzt noch mal pinkeln gehen, sicherheitshalber? Und so langsam müsste auch das große Geschäft winken. Auf keinen Fall unterwegs, auch nicht in einem Dixi Klo. In einem Dixi Klo bekommt man nicht nur Fußpilz.

Keimschleuder Dixi Klo

Ein Kaffee würde jetzt helfen.

Aber Kaffee schlägt ihm auf den Magen und den braucht er heute noch. Nicht direkt, aber der muss sich einfach ruhig verhalten, so wie das linke Knie und die Knochenhaut, ebenfalls unten links. Zigarette wäre auch nicht schlecht für die Verdauung, aber leider für die Lunge und die soll, ja muss heute eine Hauptrolle übernehmen. Also läuft er noch ein wenig nervös durch seine Wohnung, blättert in der Fernsehzeitung, stellt seine Straßenschuhe hinter der Eingangstür noch exakter in Reih und Glied, zieht das Bettzeug ab und steckt es in die Waschmaschine und hört in sich hinein, aber da meldet sich doch nur wieder das verdammte linke Knie.

Um viertel vor sieben Uhr

nimmt er auf der Brille Platz. Das ist jetzt die halbe Miete, sinniert er. Das wird jetzt auch mit dem Knie klappen, wenn es den Ernst der Lage erkennt, wird es klein beigeben. Wenn es sich heute benimmt, bekommt es eine Woche frei, verspricht ihm Jörg. Die Packung Tempotaschentücher als Klopapier-Ersatz kann er jetzt wieder aus der Tüte nehmen. Das macht er auch.

Und schnell nochmal die ganze Tüte kontrollieren!

Um kurz vor sieben ist Jörg gewappnet

und, trotz schlechter Nachtruhe und schwächelnden Körperteilen, bereit, die sonntägliche Herausforderung anzunehmen.

Unter den Fleece zieht er jetzt noch zwei alte T-Shirts. Seine 3-Zimmerwohnung liegt im Erdgeschoss und gleich draußen an der Haustür links hängt ein Thermometer. Es sind neun Grad, es ist stark bewölkt, soweit er das in der Dunkelheit beurteilen kann, es regnet nicht und der Wind hat endgültig klein beigegeben. Über Mittag soll die Temperatur um drei bis vier Grad steigen, Regen ist nicht angesagt, aber der Wind soll wieder kommen.

New York

kommt ihm wieder in den Sinn, damals hatte es gefroren, also bitte! Und dazu nicht nur ein Wind, nein ein Sturm. Und alle Läufer mussten drei Stunden vor dem Start die Verrezzano Brücke überquert haben und im Startbereich auf Staten Island auf den erlösenden Schuss warten.

E hat seinen Job gleich erledigt

Warm up

Tausende Menschen hüpften von einem Bein auf das andere, zogen sich Plastiktüten über die Schuhe, Mützen in die Stirn, steckten die Hände tief in die Hosentaschen, bis dahin, wo noch ein wenig Wärme zu spüren war. Andere standen zitternd vor Dixie Klos, sorgten dafür, dass in der weltlängsten Pinkelrinne aus einem Rinnsal ein mächtiger Sturzbach wurde,

Pinkeln in New York – für einen „guten Zweck“

schnürten sich die Schuhe zum zehnten Mal mit Doppelknoten und zählten die Uhr herunter. Drei Stunden, hundertachtzig Minuten galt es zu vernichten, ohne zu erfrieren, ohne aber gleichzeitig unnötig viel Energie zu verlieren. Auf der Stelle Hüpfen verbrennt aber Energie, reines Frieren auch. Beim Ganzkörperzittern ziehen sich ständig Muskeln zusammen und entspannen wieder, also wie sah der geeignete Überlebenskampf auf Staten Island aus. Jörg hatte sich gegen die Hüpf- und auch gegen die Zittermethode entschieden, seine Variante hieß:  Möglichst regungslos Liegen als Unterlage Zeitungspapier (aus dem Hotelzimmer mitgebracht) und eingehüllt in die Mülltüte (von zu Hause mitgebracht).

Nur der Blick Richtung Verrezzano Bridge war schön

Mit dem Schweizer Messer hatte er tags zuvor drei Löcher hineingeschnitten, zwei für die Arme, eins für den Kopf. Er war kurz davor, aus einem nahestehenden Mülleimer leere Milch- und Orangensafttüten einzusammeln und damit ein kleines Feuerchen zwischen seinen Beinen zu entfachen. Aber er hatte kein Feuerzeug und dazu viel zu viel Angst vor den New Yorker Ordnungshütern und den berühmten Fire Brigades. Die wären doch ganz sicher sofort mit 13 Löschzügen angerückt. So ziemlich das Einzige, was er in seiner Situation nicht gebrauchen konnte, war kaltes Wasser aus 13 Feuerwehrschläuchen.

Sieben Uhr:

Jörgs Handy bleibt auf dem Küchentisch liegen, unnötiger Ballast. Die Tüte fliegt auf die Rückbank seines alten Passat, er schnallt sich an und startet in seinen Morgen. Er hat Glück mit dem Parkplatz und erwischt die U-Bahn um 7.30 Uhr.

Ein guter Laufkalender unter:

https://www.marathon.de/

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100 km Wandern

Running Man 1

Running Man 2

Nächste Woche: Running Man Folge 4 – das Finale

Ich - Mikka Ich war schon immer eher Läufer und nicht Rädchen-Fahrer. Wir wohnten am Hang, ein unbefestigter Feldweg führte zu unserem Haus. Wir haben unsere Räder immer mehr geschoben als gefahren. Später verdiente ich mein Geld als Bademeister und Fensterputzer, da war ich auch viel zu Fuß unterwegs, ja und dann habe ich mit dem Marathon laufen angefangen. Und mit dem Bergwandern, ich war auch Reiseleiter im Himalaya. Als das Heruntergehen meinen Knien nicht mehr gefiel, hab ich das Paragleiten gelernt. Soviel zu meiner Sportkarriere. Beruflich lief es auch nicht so glatt. Als Junge wollte ich die Wetterstation auf der Zugspitze übernehmen. Es hat dann nur zum Wetterfrosch ohne Ausbildung gereicht. Lehrer konnte ich auch nicht werden, da hatte ich zwar eine Ausbildung, aber das Land NRW keine Jobs. Also wurde ich eben Reiseleiter, Reisereferent, Reiseverkäufer, Reiseredakteur und Reisejournalist. Ich bin ein bisschen herumgekommen. Habe Reisefilme gedreht, Reiseartikel und zwei Reisebücher geschrieben. Ich habe vor und hinter der Kamera gestanden, den Mount Everest fast bestiegen und die Sahara quasi durchquert. Ich bin viele Berge hochgelaufen und heruntergeflogen und ich bin seit 65 Jahren Gladbach Fan. Ich wurde in Mönchengladbach geboren.

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