Wer das Dorfertal nicht kennt, muss nicht zwingend als unwissend gelten. Dieses kleine Tal, das sich in Osttirol vom hinteren Virgental aus kaum 20 Kilometer nach Norden wendet, würde bei einem Schönheitswettbewerb in Sachen Bergidylle satte Punktabzüge erhalten, zumindest im unteren Talbereich. Eine staubige Fahrstraße, steil aufragende Felswände, ein vom Borkenkäfer geplagter Wald und laut hämmernde Maschinen frustrieren den ortsunkundigen Wanderer. Mich nicht, denn ich kenne das Tal seit Jahrzehnten und weiß, dass das Tal über andere Stärken und Besonderheiten verfügt.
In diesem Sommer
komme ich auf meiner Wanderung vom benachbarten Maurertal über das Türmljoch (2770m) ins obere Dorfertal. Und schieße an der Johannishütte (2121m) folgendes Bild.
55 Jahre zuvor habe ich diese Postkarte mit fast identischem Motiv an meine Eltern nach Hause geschickt. Die Johannishütte im Vordergrund und das vergletscherte Venediger Massiv im Hintergrund.
Beim flüchtigen Hinschauen fällt der große Unterschied gar nicht ins Auge. Aber dann: auf der Postkarte ist ein kurzer, aber noch dicker Hängegletscher zu sehen und auf dem aktuellen Foto nur noch die schwindsüchtigen Reste davon.
Eine neue Statistik bestätigt: Die Schweizer Gletscher haben im Jahr 2022 rund 3000 Millionen Kubikmeter Eis verloren, das sind mehr als 6 Prozent des verbleibenden Volumens. https://www.wwf.ch/de/stories/vom-sterben-der-gletscher
Es fällt danach nicht schwer sich vorzustellen, dass auf einem dritten Bild, in 20 oder 30 Jahren gemacht, kein nennenswerter Gletscher mehr zu sehen sein wird.
Aus der Zeit der Postkarte stammt auch das Foto von meinen Freunden Gotthard, Matthias und mir am Einstieg zum Venediger Gletscher. Heute muss man 100 Höhenmeter höher steigen, um zum aktuellen Einstieg zu gelangen. Der Klimawandel schlägt gnadenlos zu, wohin wir auch schauen.
Nach einer kurzen Rast in der Hütte wandere ich talauswärts. Viele Wanderer/Bergsteiger kommen mir entgegen. Das Defregger Haus hat endlich geöffnet, damit wird der Aufstieg auf den Großvenediger von Süden aus, via Johannishütte und Übernachtung im Defregger Haus, wieder für viele Bergfreunde interessant. Nach knapp 30 Minuten schaue ich auf den wahren Schatz des Tals: das sogenannte TAUERNGRÜN im oberen Steinbruch auf etwa 1700 Metern Meereshöhe. Seit 1962 wird hier der dunkelgrüne, von hellen Adern durchzogene Serpentinit oder Serpentin abgebaut.
Serpentin, was ist das?
Der Serpentin entsteht tertiär, was sich dadurch auszeichnet, dass sich der Stein durch chemische Reaktionen innerlich umwandelt. Serpentinite sind demzufolge metamorphe Gesteine, welche sich unter hohen Druck- und Temperaturverhältnissen vorwiegend aus der Umwandlung von so genannten Peridotiten bilden. Das geschieht insbesondere bei gebirgsbildenden Vorgängen (Auffaltung der Alpen). Serpentinit wird zudem durch eine Serpentinisierung von olivinreichen Gesteinen gebildet. Die Ausgangsgesteine werden dabei unter der Wirkung von hydrothermalen Lösungen umstrukturiert, wodurch die Umwandlung in Serpentin erfolgt.
Serpentinvorkommen reichen vom Norden Europas über Österreich und verschiedene Mittelmeerländer bis nach Afrika, Asien, Australien und Amerika.
Aus Serpentin werden Schmuck- und Kunstgegenstände gefertigt, aber auch Boden- und Arbeitsplatten sowie Wandverkleidungen.
DORFERGRÜN
Kurz bevor das Dorfertal bei Hinterbichl im Virgental endet liegt auf ca. 1400 Metern Höhe ein zweiter Steinbruch, der auch von der deutschen Firma Lauster betrieben wird. Hier wird nicht TAUERNGRÜN abgebaut, sondern DORFERGRÜN:
Sein Name deutet auf seinen Herkunfts- und Entstehungsort hin, denn das Hartgestein stammt eben genau von hier, aus dem unteren Dorfertal.
So nah beieinander, aber doch unterschiedlich im Aussehen. DORFERGRÜN, in der Farbe eher hellgrün, ist ein Chloridgneis. Unter anderem war Olivin unterhalb des Meeresbodens das Ausgangsgestein, das hydrothermal umgewandelt wurde, wodurch Quarz frei wurde, das sich in den Ritzen ablagerte und den hellgrünen Stein weiß durchzieht.
Aufgrund seiner einzigartigen Farbgebung, seiner Polierfähigkeit sowie seiner Frost- und Tausalzbeständigkeit kann der Dorfer Grün sowohl im Innen- als auch Außenbereich eingesetzt werden. Zu finden in vielen öffentlichen Gebäuden (z.B. Bahnhöfe in Wien und Graz) in Österreich und Deutschland. Genutzt wird das DORFERGRÜN aber auch als Ausgangsmaterial für Steinmetzarbeiten.
Der Steinbruch ist die Arbeitswelt von Gerhard Berger. Wenn er nicht mit seinem Paragleiter schwerelos über die Osttiroler Bergwelt fliegt, ist er hier der Herr der großen Steine. Wir quatschen kurz übers Fliegen, dann steigt er wieder in seinen Radlader und ich mache mich buchstäblich aus dem Staub.
Unten in Hinterbichl, am Ausgang des Dorfertals steht das Wasser-Kraftwerk, das mit dem Wasser des Dorferbachs jährlich 40 Mio. Kilowattstunden Strom produziert, genug für circa 10.000 Haushalte. Das Dorfertal ist eine wahre Goldgrube.
Wer das Dorfertal nicht kennt, muss nicht zwingend als unwissend gelten. Dieses kleine Tal, das sich in Osttirol vom hinteren Virgental aus kaum 20 Kilometer nach Norden wendet, würde bei einem Schönheitswettbewerb in Sachen Bergidylle satte Punktabzüge erhalten, zumindest im unteren Talbereich. Eine staubige Fahrstraße, steil aufragende Felswände, ein vom Borkenkäfer geplagter Wald und laut hämmernde Maschinen frustrieren den ortsunkundigen Wanderer. Mich nicht, denn ich kenne das Tal seit Jahrzehnten und weiß, dass das Tal über andere Stärken und Besonderheiten verfügt.
In diesem Sommer
komme ich auf meiner Wanderung vom benachbarten Maurertal über das Türmljoch (2770m) ins obere Dorfertal. Und schieße an der Johannishütte (2121m) folgendes Bild.
55 Jahre zuvor habe ich diese Postkarte mit fast identischem Motiv an meine Eltern nach Hause geschickt. Die Johannishütte im Vordergrund und das vergletscherte Venediger Massiv im Hintergrund.
Beim flüchtigen Hinschauen fällt der große Unterschied gar nicht ins Auge. Aber dann: auf der Postkarte ist ein kurzer, aber noch dicker Hängegletscher zu sehen und auf dem aktuellen Foto nur noch die schwindsüchtigen Reste davon.
Eine neue Statistik bestätigt: Die Schweizer Gletscher haben im Jahr 2022 rund 3000 Millionen Kubikmeter Eis verloren, das sind mehr als 6 Prozent des verbleibenden Volumens. https://www.wwf.ch/de/stories/vom-sterben-der-gletscher
Es fällt danach nicht schwer sich vorzustellen, dass auf einem dritten Bild, in 20 oder 30 Jahren gemacht, kein nennenswerter Gletscher mehr zu sehen sein wird.
Aus der Zeit der Postkarte stammt auch das Foto von meinen Freunden Gotthard, Matthias und mir am Einstieg zum Venediger Gletscher. Heute muss man 100 Höhenmeter höher steigen, um zum aktuellen Einstieg zu gelangen. Der Klimawandel schlägt gnadenlos zu, wohin wir auch schauen.
Nach einer kurzen Rast in der Hütte wandere ich talauswärts. Viele Wanderer/Bergsteiger kommen mir entgegen. Das Defregger Haus hat endlich geöffnet, damit wird der Aufstieg auf den Großvenediger von Süden aus, via Johannishütte und Übernachtung im Defregger Haus, wieder für viele Bergfreunde interessant. Nach knapp 30 Minuten schaue ich auf den wahren Schatz des Tals: das sogenannte TAUERNGRÜN im oberen Steinbruch auf etwa 1700 Metern Meereshöhe. Seit 1962 wird hier der dunkelgrüne, von hellen Adern durchzogene Serpentinit oder Serpentin abgebaut.
Serpentin, was ist das?
Der Serpentin entsteht tertiär, was sich dadurch auszeichnet, dass sich der Stein durch chemische Reaktionen innerlich umwandelt. Serpentinite sind demzufolge metamorphe Gesteine, welche sich unter hohen Druck- und Temperaturverhältnissen vorwiegend aus der Umwandlung von so genannten Peridotiten bilden. Das geschieht insbesondere bei gebirgsbildenden Vorgängen (Auffaltung der Alpen). Serpentinit wird zudem durch eine Serpentinisierung von olivinreichen Gesteinen gebildet. Die Ausgangsgesteine werden dabei unter der Wirkung von hydrothermalen Lösungen umstrukturiert, wodurch die Umwandlung in Serpentin erfolgt.
Serpentinvorkommen reichen vom Norden Europas über Österreich und verschiedene Mittelmeerländer bis nach Afrika, Asien, Australien und Amerika.
Aus Serpentin werden Schmuck- und Kunstgegenstände gefertigt, aber auch Boden- und Arbeitsplatten sowie Wandverkleidungen.
DORFERGRÜN
Kurz bevor das Dorfertal bei Hinterbichl im Virgental endet liegt auf ca. 1400 Metern Höhe ein zweiter Steinbruch, der auch von der deutschen Firma Lauster betrieben wird. Hier wird nicht TAUERNGRÜN abgebaut, sondern DORFERGRÜN:
Sein Name deutet auf seinen Herkunfts- und Entstehungsort hin, denn das Hartgestein stammt eben genau von hier, aus dem unteren Dorfertal.
So nah beieinander, aber doch unterschiedlich im Aussehen. DORFERGRÜN, in der Farbe eher hellgrün, ist ein Chloridgneis. Unter anderem war Olivin unterhalb des Meeresbodens das Ausgangsgestein, das hydrothermal umgewandelt wurde, wodurch Quarz frei wurde, das sich in den Ritzen ablagerte und den hellgrünen Stein weiß durchzieht.
Aufgrund seiner einzigartigen Farbgebung, seiner Polierfähigkeit sowie seiner Frost- und Tausalzbeständigkeit kann der Dorfer Grün sowohl im Innen- als auch Außenbereich eingesetzt werden. Zu finden in vielen öffentlichen Gebäuden (z.B. Bahnhöfe in Wien und Graz) in Österreich und Deutschland. Genutzt wird das DORFERGRÜN aber auch als Ausgangsmaterial für Steinmetzarbeiten.
Der Steinbruch ist die Arbeitswelt von Gerhard Berger. Wenn er nicht mit seinem Paragleiter schwerelos über die Osttiroler Bergwelt fliegt, ist er hier der Herr der großen Steine. Wir quatschen kurz übers Fliegen, dann steigt er wieder in seinen Radlader und ich mache mich buchstäblich aus dem Staub.
Unten in Hinterbichl, am Ausgang des Dorfertals steht das Wasser-Kraftwerk, das mit dem Wasser des Dorferbachs jährlich 40 Mio. Kilowattstunden Strom produziert, genug für circa 10.000 Haushalte. Das Dorfertal ist eine wahre Goldgrube.
Titelbild: Sigi Hatzer
Quelle Gletschersterben:
https://www.wwf.ch/de/stories/vom-sterben-der-gletscher
Hier ein interner Link für einen Blogeintrag über eine Nachbarregion des Dorfertals
Venediger Höhenweg 2!
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